Der Sport in Bonn Baskets und sonst nichts?

Bonn · Der Sport ist aus seiner Agonie erwacht und will sein Profil weiter schärfen: durch Vernetzung mit anderen sozialen Bereichen, Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, intensivere Talentförderung - und ein Haus des Sports.

 Sportliche Höhepunkte in Bonn: Telekom Baskets,

Sportliche Höhepunkte in Bonn: Telekom Baskets,

Foto: Jörn Wolter / wolterfoto.de

Kennen Sie Mönchengladbach? Natürlich kennen Sie Mönchengladbach. Wegen der Borussia. Bekannt in fast jedem Winkel der (Fußball-)Welt. Ohne den Fußball würde die 255.000-Einwohner-Stadt kaum über den Niederrhein hinausstrahlen. Mit Kaiserslautern und Gelsenkirchen verhält es sich übrigens ähnlich.

Sport, namentlich der Fußball, kann einer Stadt ein Gesicht geben, ein Image, ein Label oder wie auch immer man es nennt. Mönchengladbach? Oh, Netzer und die Tiefe des Raumes. Das verspricht wahrscheinlich mehr als Mönchengladbach hält. Nur ganz selten funktioniert das auch mit anderen Sportarten: Kiel und Handball, Friedrichshafen und Volleyball, früher Füssen und Eishockey. Bonn und Basketball? Vielleicht eines Tages.

Bonn war jedenfalls nie eine Fußballstadt. Nur einmal, 1976/77, da schien die damalige Bundeshauptstadt eine werden zu können. Die Frauen des Bonner SC waren ein Jahr zuvor deutscher Meister geworden, als die Männer in die 2. Bundesliga aufstiegen. Nicht selten kamen 10.000 Zuschauer und mehr in den Sportpark Nord, und am Ende der Saison bejubelten sie den Klassenerhalt. Doch weil der Verein schlecht gewirtschaftet hatte, wurde ihm die Lizenz entzogen. Eine Bürgschaft der Stadt hätte das vielleicht verhindern können, aber die Stadt wollte nicht. Wahrscheinlich war das richtig so, denn für den BSC zu bürgen, wäre damals keine Sportförderung, sondern Geldverbrennung gewesen.

Leistungssport in Bonn

Ohnehin konnte Bonn Mitte der 70er Jahre vor Leistungssport kaum laufen. Halt nur ohne herausragende Fußballmannschaft. Die Volleyballer der SSF füllten die Halle im Sportpark Nord und feierten 1974 die Meisterschaft. Zwei Jahre später stiegen die Ringer des TKSV Duisdorf in die Bundesliga auf. Die Schwimmer der SSF waren 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal mit neun Athleten vertreten. Die Fechter des OFC um Klaus Reichert sorgten ebenfalls für Furore. Und auf den Leichtathletik-Anlagen im Sportpark schwitzten prominente Asse wie Detlef Uhlemann, Jutta Heine, Jürgen Winkler oder Kurt Bendlin. Keine Frage, Bonn war eine Sportstadt damals.

Heute ist Bonn Ex-Bundeshauptstadt, Noch-Beethovenstadt, Vielleicht-bald-Konferenzstadt, Wenig-klappt-Stadt und allenfalls Basketsstadt. Immerhin, ein Leuchtturmprojekt hat der Sport noch zu bieten. Entstanden aus bemerkenswerter Privatinitiative und veredelt mit dem Geld eines großen Unternehmens. Hinter den Telekom Baskets klafft indes ein großes Loch, was die Wahrnehmung des Bonner Sports angeht.

Nicht zuletzt fehlt ein Kronprinz, eine Zuschauersportart, die auch mal mehr als 500 oder 1000 Menschen anzieht. Fußball, Handball, Volleyball, Eishockey - Fehlanzeige. Viele Funktionäre begründen das gerne mit den Besonderheiten der hiesigen Sponsorenlandschaft. Die Klage, dass die großen Bonner Unternehmen kein Herz für den Bonner Sport hätten, ist noch viel älter als das Gejammer über den Regierungsumzug. Dass die Postbank auf den Trikots von - siehe oben - Borussia Mönchengladbach wirbt, verstärkt diese Haltung noch: Siehste, klappt ja doch nicht. Sport und Wirtschaft haben in Bonn nie wirklich zusammengefunden. Warum auch immer.

Ist Bonn eine Sportstadt?

Dabei sind da durchaus noch Leistungen, für die es sich zu begeistern lohnt: von den Baseballern der Capitals, den Badmintonspielern in Beuel, vom Fechter Moritz Kröplin, vom Schwimmer Max Pilger oder von den Fünfkämpfern Matthias Sandten und Lena Schöneborn. Zudem bietet Bonn nach wie vor einige Veranstaltungen von nationalem Rang: die German Open im Synchronschwimmen, die deutsche Judomeisterschaft, das Fechtturnier um den "Löwen von Bonn", den Marathon. Absurderweise wurde der Sportpark vor einigen Jahren mit Geld aus dem Konjunkturpaket II sogar durch Flutlichtanlage und Anzeigetafel aufgehübscht. Das Gefühl, in einer Sportstadt zu leben, will sich dennoch nicht mehr einstellen.

Wahrscheinlich sind die Probleme des Sports auch hausgemacht. Nie sprach er mit einer Stimme - wenn er denn überhaupt sprach. In der Verwaltung machtlos, in der Selbstverwaltung zahnlos. Erst die Initiative "Pro Sportstadt Bonn" hat daran etwas geändert. Sie hat dem Sport Gewicht gegeben, indem sie eine gewisse Krawalligkeit mit Argumenten verband. So wurden die Sportstättennutzungsgebühr verhindert und der Sportfördervertrag durchgesetzt. Seit die Initiative im Stadtsportbund aufging, kann diese Institution zubeißen.

Nach und nach entsteht nun eine Idee davon, wie die Bonner Sportlandschaft einmal aussehen könnte. "Vision - Pro Sportstadt Bonn 2030" heißt das im SSB-Deutsch, und auch wer den Begriff nicht mag, kann sich womöglich mit den Inhalten anfreunden: Vernetzung des Sports mit den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales und Stadtentwicklung. Talentförderung vom Kindergarten bis zum Olympiasieg. Zusammenarbeit mit der Bonner Wirtschaft. Einbindung der in der Stadt ansässigen Organisationen wie Nationale Anti-Doping Agentur und Internationales Paralympisches Komitee. Ein Sportforum, das als Diskussionsplattform für alle beteiligten Akteure dient.

300 Vereine, 80.000 Mitglieder

80.000 Menschen sind in 300 Bonner Sportvereinen organisiert. Das ist eine ziemlich große Bevölkerungsgruppe, die sich ihrer Relevanz nur bewusst sein muss. Ohnehin kann den Sport nicht ignorieren, wer übergewichtige Kinder und schlechtes Abschneiden in Pisa-Studien beklagt. Latein ist zwar nicht mehr in Mode, aber der alte Spruch "Mens sana in corpore sano" (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper) gilt nach wie vor.

Noch ist der Sport nicht sichtbar in Bonn. Ein bisschen ist er in Bad Godesberg (Sport- und Bäderamt), ein bisschen im Stadthaus (Städtisches Gebäudemanagement), ein bisschen im Frankenbad (Stadtsportbund), ein bisschen überall. Beim Stadtsportbund träumt man davon, vieles unter ein Dach zu bringen: in ein Haus des Sports. Sitz für SSB und Sport- und Bäderamt, mit Tagungsräumen für ein Sportforum, öffentlich und zentral gelegen, womöglich im Schatten des Stadthauses, um kurze Wege zu gewährleisten.

Das mag sich verwegen anhören in Zeiten, da der Pleitegeier das Bonner Wappentier ist. Doch als jetzt das Haus der Bildung eröffnet wurde, sagte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch: "Es ist auf Dauer teurer, keine Bildung zu haben, als Bildung zu finanzieren." Für den Sport gilt das ebenso: Wer ihn jetzt nicht fördert, zahlt später die Rechnung. 26,4 Millionen Euro kostete es, der Bildung eine neue Heimat zu geben. So teuer müsste es für den Sport ja nicht werden.

GA-Serie

Die Redaktion des General-Anzeigers greift bis kurz vor der Wahl des Bonner Oberbürgermeisters unter dem Serientitel Bonner Perspektiven Knackpunkte städtischen Lebens auf. In zugespitzten und pointierten Analysen suchen Autoren zusammen mit Experten nach Lösungen für schwierige gesellschaftspolitische Fragen. Diese Themen finden Sie in der Zeitung und zum Nachlesen auch auf unserem Online-Auftritt www.ga.de:

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