Interview mit dem Verkehrsexperten Rainer Bohnet "Man darf Bonn nicht isoliert betrachten"

Bonn · Rainer Bohnet macht seit drei Jahrzehnten Verkehrspolitik in Bonn und der Region - mit den Schwerpunkten ÖPNV, Schiene und Radverkehr. Mit ihm sprach Dominik Pieper.

 Neuer Triebwagen der Voreifelbahn S 23. ARCHIVFOTO: KOHLS

Neuer Triebwagen der Voreifelbahn S 23. ARCHIVFOTO: KOHLS

Herr Bohnet, sind Sie heute schon mit Bus oder Bahn gefahren?
RainerBohnet: Heute noch nicht. Heute war ich mit dem Rad unterwegs. Ansonsten nehme ich aber oft den Bus oder die Bahn. Wir haben in Bonn insgesamt ein leistungsfähiges ÖPNV-System mit dichten Takten. Leider gehören auch Verspätungen zum Alltag. Und hinter der Stadtgrenze, im Rhein-Sieg-Kreis, fällt das Angebot deutlich ab.

Wer auf dem Land wohnt, hat doch ohnehin ein Auto, oder?
Bohnet: Sicher, der Motorisierungsgrad ist auf dem Land höher als in der Stadt. Aber man hat schon in den Randbereichen ziemliche Brüche. Ich wohne in Roleber, das ist noch Bonn. Bei mir ist das ÖPNV-Angebot deutlich besser als im nächsten Ort Vinxel, der zu Königswinter gehört.

[kein Linktext vorhanden]Hakt es generell im grenzüberschreitenden Verkehr?
Bohnet: Vor allem bei den Bussen. Die Linie 608 fuhr früher vom Brüser Berg bis zum Schloß Birlinghoven. Nach Willen der Bonner Politik wurde die Linie in Gielgen gekappt, um zu sparen - mit dem Hinweis, dass man ja in Richtung Bonn alternativ mit der Linie 636 nach Hangelar-Ost fahren und dort in die Stadtbahn 66 umsteigen könnte. Die Fahrgäste zahlen dabei aber drauf, weil sie so beim Einzeltarif schlechter gestellt sind: Da kostet die Fahrt 3,80 Euro statt 2,80 Euro. So ein Fall zeigt: Der Politik geht es weniger um nutzerfreundliche Angebote als viel mehr ums Geld. Wer bezahlt was, wer bekommt wie viel?

Hängt das nicht auch mit der schwierigen Konstellation bei den Buskonzessionen zusammen?
Bohnet: Eigentlich müsste es eine gemeinsame Gesellschaft für den Busverkehr geben - für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis. Wir brauchen eine Managementgesellschaft, ähnlich wie es sie mit den SSB bei der Linie 66 schon ewig gibt. Solch eine Kooperation hätte viele Vorteile, von der gemeinsamen Busbeschaffung bis hin zur Gestaltung der Fahrpläne. Man könnte auf diese Weise auch selbstbewusster im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) auftreten, vor allem gegenüber Köln. Bonn und der Kreis haben zusammen schließlich auch eine Million Einwohner.

Hat Bonn den Kreis als Partner zu wenig im Blick?
Bohnet: Teilweise ist das so. Mag sein, dass dieses Selbstverständnis aus der Hauptstadtzeit resultiert. Dabei ist es falsch, Bonn isoliert zu betrachten. Bonn und der Kreis sind auf vielen Ebenen vernetzt, und das wird sich in den nächsten Jahren durch den Anstieg der Bevölkerungszahl fortsetzen. Den Planungsämtern nehme ich ab, dass sie beim ÖPNV zusammenarbeiten. Aber im politischen Bereich gibt es noch viel zu tun.

Durch den Bevölkerungszuwachs werden aber auch die Verkehrsprobleme zunehmen. Lassen sich die nur mit ÖPNV auffangen?
Bohnet: Ich hoffe auf eine große ÖPNV-Offensive, allein schon wegen der Nordbrückensanierung und des Neubaus des Tausendfüßlers. Unter diesen Vorzeichen kann der ÖPNV zeigen, was in ihm steckt. Im Schienenverkehr könnte man neue Verknüpfungen und Verbindungen schaffen, um die Verkehrsströme flexibler abzudecken. Das allein reicht aber nicht. Das Rad wird an Bedeutung gewinnen - Stichwort E-Bikes/Pedelecs. Da brauchen wir gut ausgebaute Radwegeverbindungen. Und schließlich fehlt es an einem Mobilitätsmanagement. Dazu müssen Bonn und der Kreis eine schlagkräftige Truppe bilden und die Unternehmen ins Boot holen. Flexible Arbeitszeiten, Home Office, Jobtickets, Diensträder statt Dienstwagen - das alles spielt mit rein.

Ohne Investitionen in die Infrastruktur wird es aber nicht funktionieren, oder?
Bohnet: Das ist richtig. In Bonn wurde das letzte Stück Schiene vor 20 Jahren gebaut - unmöglich!

Träumen Sie noch von der Hardtbergbahn?
Bohnet: Den Traum habe ich noch nicht aufgegeben. Aber es gibt andere interessante Zukunftsprojekte, die mehr oder weniger konkret diskutiert werden. Die Seilbahn zum Venusberg gehört dazu. Vor allem aber eine rechtsrheinische Stadtbahn von Bonn nach Niederkassel. Die könnte man im Norden mit der KVB und mit einer neuen Rheinquerung bei Niederkassel verknüpfen, die ja aktuell in der ganzen Region Unterstützung findet. Und von der Südtangente und dem Ennertaufstieg müssen wir uns endgültig verabschieden.

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