Jazzfest Bonn Martin Luther Kings Worte klingen wie Musik

Bonn · Lizz Wright und Stefan Schultze mit dem Large Ensemble, Anke Helfrich und Norbert Gottschalk Quintett in der Aula der Universität.

Kontrastreicher geht es kaum: In der Aula der Universität Bonn traten zunächst die stimmgewaltige Lizz Wright mit Band und im Anschluss Stefan Schultze und sein Large Ensemble mit modernem Big- Band-Jazz auf. Auf einen Nenner ist das inhaltlich schwer zu bringen: Beide boten Spielarten des Jazz, technisch hervorragend und von überraschender stilistischer Vielfalt.

Aber die jeweilige Stimmung in der Aula war bei dem Doppelkonzert von unterschiedlicher Natur. Während die begnadete Sängerin Lizz Wright die Herzen (und Ohren) der Zuhörer im Sturm eroberte und im Zusammenspiel mit ihren brillanten Mitstreitern Martin Kolarides (Gitarre), Kenny Banks (Klavier, Keyboard), Nicholas D'Amato (Bass) und Brannen Temple (Schlagzeug) dafür sorgte, dass sich der Groove direkt aufs Publikum übertrug, stellten die beziehungsreichen Kompositionen und Arrangements von Schultze hohe Anforderung an das analytische Hören.

Lizz Wright kommt unverkennbar vom Gospel-Gesang, aber mit ihrer dunklen warmtemperierten Stimme macht sie sich auch Klassiker des Blues, der Soul-, Funk- und Country-Musik zu eigen und zu einem emotionalen Erlebnis. Gesang, der unter die Haut geht: unprätentiös, geerdet, berührend. Das Large Ensemble, eine 17-köpfige, hochkarätig besetzte Big-Band-Formation, beeindruckte mit rhythmischen Finessen, melodischer Farbigkeit und Witz. Claudia Wallendorf

LVR Landesmuseum: Tatsächlich. Martin Luther King hat Rhythmus, seine Reden sind gesprochene Musik: Die Pianistin Anke Helfrich hat Kings "I Have A Dream"-Rede harmonisiert, hat Tempo, Sprachduktus und inhaltliche Botschaft in die Sprache des Jazz übersetzt. Das hat trotz der Dissonanzen, der verzerrten Unruhe und Kantigkeit eine musikalische Tiefe und expressive Dichte, die wohl kaum einen Zuschauer im Forum des LVR Landesmuseums ungerührt gelassen haben dürfte. Ein ganz besonderes Kapitel dieses Jazzfestabends. Anke Helfrich eröffnet mit ihrem Trio den Abend mit der älteren Eigenkomposition "Upper Westside", die noch stark unter dem Eindruck einer rhythmischen Virtuosität eines Thelonious Monk steht, und beschließt ihn mit dem blueslastigen "Song For Larry" aus ihrem ersten Album. Dazwischen: fast ausschließlich neue eigene Stücke. Man muss eigentlich nur die Besetzung des Norbert Gottschalk Quintetts aufzählen, um ins Schwärmen zu kommen: Pianist Hubert Nuss, Tenorsaxofonist Paul Heller, German Klaiber als Fels in der rhythmischen Brandung und Michael Küttner am Schlagzeug. Und Norbert Gottschalk? Gottschalk ist nicht einfach nur ein Sänger, er erzählt Geschichten, lässt Bilder, kleine Filmsequenzen von zarter Poesie entstehen. Dazu tragen nicht nur seine wunderschönen Texte, die er zu Instrumentalkompositionen schreibt, bei, sondern auch sein cremig-sanfter Gesang. Gottschalk hat einen Scat-Stil, der Gitarrenläufe, Flügelhörner, Posaunen und Trompeten aus seinem Vokal-Instrument entstehen lässt.

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