Bonner Oper John Neumeiers "Hamburg Ballett" begeisterte sein Publikum

BONN · Der Choreograf John Neumeier und der Pianist Christoph Eschenbach sind seit Jahrzehnten eng befreundet. Der Tanzabend "Ballette für Klavier und Stimme", mit dem das Hamburg Ballett am Mittwoch und Donnerstag in der Oper Bonn gastierte, ist in gewisser Weise auch ein poetischer Rückblick auf gemeinsame Projekte und Arbeiten.

 "Um Mitternacht": Szene aus John Neumeiers Mahler-Choreografie.

"Um Mitternacht": Szene aus John Neumeiers Mahler-Choreografie.

Foto: Beu

Der Abend nimmt seinen Anfang mit Schumanns "Kinderszenen", die Neumeier 1974 choreografierte. Damals spielte Eschenbach den Klavierpart, ebenso bei der Premiere der "Ballette für Singstimme und Klavier", in die Schumanns "Kinderszenen" aufgenommen wurden, fast vier Jahrzehnte später im Mai 2013 in Essen.

In Bonn saß nun der sehr talentierte Eschenbach-Schüler Christopher Park am Klavier. Gleichsam als Präludium tastete er sich verträumt-zögerlich an den ersten Takten des Eröffnungsstücks "Von fremden Menschen und Ländern" entlang, zitierte vorsichtig "Kind im Einschlummern", um dann erst den Zyklus, wie Schumann ihn komponierte, zu beginnen. Neumeier schickt zu der Musik Personal vom Solisten bis zum zehnköpfigen Ensemble auf die Bühne.

Die technische Präzision der Tänzer geht wunderbar auf in der poetischen, am klassischen Tanz geschulten Bewegungssprache. Neumeier erzählt Geschichten ohne Worte, genauso wie es die kurzen Stücke Schumanns tun. Besonders berührend tanzt Hélène Bouchet zu "Fast zu ernst", während andere Stücke auch durch einen sehr feinen Humor bestechen.

Etwas greller fällt der Witz naturgemäß in den "Petruschka-Variationen" aus, einer Choreografie zu Igor Strawinskys eigener, extrem virtuoser und von Park mit Feuer vorgetragener Klavier-Adaption seines berühmten Balletts. Statt Weiß und Grau dominiert bei den Kostümen nun die Farbe Orange. Die Sprünge, Hebefiguren und Drehungen spiegeln die Rasanz der Klänge auf mitreißende Weise.

Neumeiers "Vaslaw" ist eine Hommage an Vaslaw Nijinsky, der als Tänzer 1911 "Petruschka" zur Uraufführung brachte. Dessen nie realisierten Entwurf eines Bach-Balletts hat Neumeier 1979 als Grundlage für sein eigenes Stück genommen. Zu Bach'scher Klaviermusik errichten der Tänzer Alexander Riabko und das Ensemble Nijinsky ein choreografiertes Denkmal.

Nicht einfach ist die Übersetzung der ausgewählten Rückert-Lieder von Gustav Mahler in eine Choreografie. Doch Neumeier durchdringt in seinem jüngsten Stück, das erst im vergangenen Jahr uraufgeführt wurde, Musik und Texte mit einer zarten, fast romantischen Bewegungssprache, die sich der melancholischen Grundstimmung der Lieder ganz eng anschmiegt.

Dass "Um Mitternacht" selbst mit geschlossenen Augen noch zu einem Erlebnis geworden wäre, dafür sorgten Daniel Ochoa mit ebenso nobler wie klarer Baritonstimme und Christian Peix am Klavier. Das Publikum überschüttete die Ausführenden mit Beifall und schraubte den Pegel noch ein wenig höher, als Neumeier selbst die Bühne betrat.

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