Contra-Kreis-Theater in Bonn Heide Keller und Walter Gontermann brillieren in "Möwe und Mozart"

BONN · Das Alter ist eine der größten Überraschungen des Lebens", meint Sofia. Und sie mag viele Überraschungen. Dass sie plötzlich auf seiner Parkbank sitzt, sieht Herbert eher als böse Überraschung. Zumal die Dame einfach nicht den Schnabel halten kann. "Möwe" habe man sie schon als Kind genannt, weil sie kein weggeworfenes Pausenbrot liegen lassen konnte, erzählt sie.

 Sie liest die "Landlust", er den General-Anzeiger: Heide Keller und Walter Gontermann auf der Parkbank.

Sie liest die "Landlust", er den General-Anzeiger: Heide Keller und Walter Gontermann auf der Parkbank.

Foto: CKT

Hungrig auf das Leben ist sie immer noch und hat deshalb zugeschnappt, als Carl (charmant im Hintergrund: Daniel Buder) sie auf seinen einsamen alten Onkel Herbert ansetzte. Als der gescheiterte Komponist, der mit Werbung für Tomatensuppen sein Geld verdiente, von dieser fürsorglichen Maßnahme erfährt, hat die reizende Möwe sich jedoch schon eingenistet in seinem verstockten Herzen. Liebe kennt nämlich kein Alter.

Sofia hat sowieso keine Zeit, sich um die vergehenden Jahre zu kümmern, weil sie stets auf der Suche ist nach schönen Momenten. Und davon gibt es immer noch genug.

Die entzückende Komödie "Möwe und Mozart" von Peter Limburg ist eine federleichte Liebesgeschichte zweier Senioren, voller Witz und mit genau dem kleinen Schuss Bitterkeit, ohne den das Glück nicht wirklich genießbar ist. Im Contra-Kreis hat dessen Chef Horst Johanning das Boulevard-Märchen einfühlsam und pointensicher inszeniert. Der verbale Schlagabtausch zwischen Herbstlaub und Junggesellenwohnung (Bühnenbild: Thomas Pfau) funktioniert brillant.

Zumal da ein Paar (beide auch real über Siebzig) agiert, das mit koketter Selbstironie und fabelhafter Präzision alle Sprachspiele auf Hochglanz poliert und furchtlos über alle Gebrechen des Alters hinwegtanzt. Traumschiffstar Heide Keller ist die munter flatternde Möwe Sofia, die flugs die Adresse des alten Herrn herauskriegt, die Uhren vor seinem geplanten Opernbesuch ein wenig zurückstellt, ihn mit einem Mobiltelefon (ihre eigene Nummer ist schon einprogrammiert) versorgt und auch sonst die Regie des süßen erotischen Abenteuers übernimmt. Im Seniorenheim Rosen pflegen (Arthrosen, Sklerosen usw.) - Nein danke!

Im flotten schulterfreien Ausgehkleid (Kostüme: Brian Grosen / Anja Saafan) sieht sie wirklich so zum Anbeißen aus, dass selbst Herbert seinen Mozart vergisst.

Dessen Requiem hört der notorische Melancholiker gern beim Aufräumen seiner Bude. Walter Gontermann spielt sehr differenziert den verkorksten Hagestolz und Musiker, der nach einer inspirierten Nacht auch mal Gershwin in die Tasten klimpert. Wunderbar lässt Gontermann allmählich die robuste Schale aufbrechen, die eine verletzte Künstlerseele verbirgt. Auch den Grund dafür, dass seine große "Nebel-Sinfonie" nie fertig wurde. Das Leben hat Herbert und Sofia gelegentlich übel mitgespielt, was aber kein Grund ist, es nicht noch mal zu versuchen.

Selbst im Rollstuhl lässt eine tapfere Möwe die Flügel nicht hängen. Und wenn das Lebensflämmchen bedrohlich ins Flackern gerät, gibt's ja Mozart. Herbert hat immerhin mehr als doppelt so viele Jahre hinter sich gebracht wie der Komponist von "Così fan tutte". Insofern können die beiden es ruhig noch mal miteinander machen: Das schöne Augenblicksglück, dessen Verweilen bekanntlich kurz und endlich ist.

Lang und herzlich war folglich der Premierenbeifall für ein ungetrübtes Theaterglück, das gut zweieinhalb Stunden (inkl. Pause) lang ohne Ausrutscher unter die Gürtellinie mit respektvoller Zärtlichkeit grenzenlos lebensmutige Menschen zeigt.

Info

Bis zum 14. Dezember fast täglich. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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