Stadtgeschichte in Bonn Das Bonn-Center war Symbol des neuen Selbstbewusstseins der Bundeshauptstadt

BONN · Ein symbolträchtiges Projekt: Der in den beiden Jahren 1968/69 auf den 16.000 Quadratmetern eines ehemaligen Schrebergartens errichtete Bau an der Reuterbrücke zeugte vom wachsenden Selbstbewusstsein der jungen Kapitale, die nicht länger eine provisorische Hauptstadt sein wollte und sein sollte.

Das Bonn-Center 1970.

Das Bonn-Center 1970.

Foto: Volker Lannert

Mit 18 Stockwerken und 60 Metern Höhe war das Bonn-Center damals das zweithöchste (heute vierthöchste) Gebäude der Stadt, gleich nach dem fast zeitgleich errichteten Abgeordneten-Hochhaus ("Langer Eugen"), das heute die Vereinten Nationen beherbergt.

Schon der Name "Bonn-Center" spiegelte dieses wachsende Selbstbewusstsein, war er doch eine deutliche Analogie zum nur vier Jahre zuvor in West-Berlin errichteten Europa-Center, dessen Dach ebenfalls ein rotierender, bei Dunkelheit leuchtender und damit bei Tag und bei Nacht weithin sichtbarer Mercedes-Stern ziert.

Eine Stadt in der Stadt: Das Bonn-Center in unmittelbarer Nähe des Regierungsviertels beherbergte während seiner Hauptstadt-Geschichte seit dem 25. November 1969 im Hauptgebäude, im fünfstöckigen Querriegel und in der vorgelagerten (inzwischen abgerissenen) Ladenzeile unter anderem vier Botschaften, Dutzende Lobbyisten, Fernsehstudios, internationale Nachrichtenagenturen wie Reuters, Parlamentskorrespondenten (wie etwa Ende der achtziger Jahre den heutigen "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann), gastronomische Betriebe, eine Apotheke, einen Friseur, Supermarkt, Kunstgalerie, Einzelhändler vom Herrenausstatter bis zur Parfümerie, diverse Bankfilialen, eine Autowaschanlage in der Tiefgarage - vor allem aber, seit Anbeginn, 320 Betten des Steigenberger-Hotels in den obersten sechs der 18 Etagen.

Und ganz oben, gleich unter dem Stern, befand sich das vornehme Restaurant Ambassador, beliebter Treffpunkt der Mächtigen der jungen Bundesrepublik wie der Welt. In der sorgsam abgeschotteten Oase war man unter sich, garantiert unbelästigt von Fotografen und Kameraleuten. Hier durfte die Begum Aga Khan ihr Schoßhündchen mit zu Tisch bringen, hier ließ sich Koch-Papst Paul Bocuse als Gast ebenso von den Künsten der Küche verwöhnen wie Tanker-Milliardär Aristoteles Onassis.

Die Bundeskanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl waren Stammgäste im Ambassador, die Bundespräsidenten Walter Scheel, Karl Carstens und Richard von Weizsäcker genossen beim Speisen den Blick auf Rhein und Siebengebirge.

Omar Bongo, für ein paar Tage zu Gast in der Präsidenten-Suite und 41 Jahre lang Präsident des zentralafrikanischen Staates Gabun, in dem 80 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, wollte bei seinem Besuch im Ambassador ganz spontan und wie selbstverständlich das gesamte Restaurant für sich und seinen Clan requirieren - ohne Rücksicht auf Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg, der dort gerade mit seinem französischen Kollegen Jacques Delors dinierte.

Hoteldirektor Dieter Wehr konnte so schnell nichts erschüttern. Dafür hatte er in seinem Job schon so ziemlich alles erlebt. Zum Beispiel, wie ihn die rabiaten Bodyguards des US-Vizepräsidenten Walter Mondale in den Schwitzkasten nahmen, weil sie ihn für einen Terroristen hielten. Dieter Wehr sorgte also mit seinem gewohnt diplomatischem Geschick dafür, dass Bongo die Anwesenheit der beiden unbedeutenden europäischen Gäste großzügig duldete. Am Ende des Abends war der afrikanische Präsident so begeistert von Küche und Service, dass er vollmundig androhte, als Pensionär seinen Dauerwohnsitz in der Präsidentensuite im Bonn-Center zu nehmen.

Dazu kam es allerdings nicht mehr. Zum einen, weil Bongo bis zu seinem Tod 2009 Langzeit-Präsident von Gabun blieb, ohne zuvor in Rente zu gehen, zum anderen, weil das Hotel schon vor Wiedervereinigung und Hauptstadtbeschluss, nämlich Ende 1988, ins deutlich kleinere neue Domizil Casselsruhe auf dem Venusberg umzog (seit dem Jahr 2000 ein Dorint-Hotel).

"Die Gegebenheiten im Bonn-Center entsprechen nicht mehr unseren Anforderungen", sagte damals Vorstandsmitglied Reinhard Przybilski, dessen Steigenberger-Gruppe seit 1990 auch das Hotel Petersberg betreibt. Eine Sanierung der 8500 Quadratmeter umfassenden sechs obersten Etagen an der Reuterbrücke nach den Bedürfnissen eines Top-Hotels hätte nach vorsichtigen Schätzungen bis zu 20 Millionen Mark verschlungen.

Die Stadt Bonn blieb zunächst gelassen, weil die Bundesregierung bereits dringenden Bedarf an zusätzlichen Büroflächen angemeldet hatte: Das Gebäude des Bundespresseamtes sollte nämlich einem schönen Park zwischen Kanzleramt und Heussallee weichen. Doch die ambitionierten Pläne erledigten sich am 20. Juni 1991 mit dem Hauptstadtbeschluss des Deutschen Bundestags.

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