Spektakuläre Meisterwerke Bundeskunsthalle bringt Florenz vom Arno an den Rhein

BONN · Geht das, eine ganze Stadt - zumal Florenz - von den Arno an den Rhein umzusiedeln? Da regten sich sogar bei Gerhard Wolf vom Max-Planck-Institut in der toskanische Metropole, einer von vier Kuratoren der Ausstellung, Zweifel.

Es geht! Zumindest behauptet dies die Bundeskunsthalle und setzt ein selbstbewusstes Ausrufezeichen hinter den Ausstellungstitel: "Florenz!" Man hat gar nicht erst versucht, diese wunderbare Stadt, die randvoll wie ein Füllhorn mit Kunst, Kultur und Geschichte gesegnet ist, mit Großfotos und Installationen abzubilden.

Das Kuratorenquartett hat vielmehr stichpunktartig und chronologisch sortiert zusammengetragen, was Florenz zu einem einzigartigen Ort des Geistes und der Künste, schließlich auch zu einer europaweit politisch relevanten Kraft machte. Anhand von fünf Kapiteln und mit 350 erlesenen Objekten, die man aus Florenz und Sammlungen aus aller Welt zusammentrug, wird das Feld erschlossen. 800 dichte Jahre auf 1200 Quadratmetern.

Die Operation ist großteils gelungen, erfordert aber einen sehr konzentrierten und unerschrockenen Betrachter - der Parforceritt durch die Jahrhunderte legt ein schwindelerregendes Tempo vor. Entschleunigung ist gefragt: Zum Beispiel mit dem kunstvoll verzierten Pergamentblatt aus einem Buch der Biblioteca Medicaea Laurenziana, das Dantes "Commedia" mit feinsten Miniaturzeichnungen eröffnet.

Nicht weit von diesem Werk liegen die Aufschlagseite zum ersten Tag von Bocaccios "Decamerone" und Illustrationen zu Petrarcas "Canzoniere". Höhenflüge der Literatur treffen im florentinischen 13. und 14. Jahrhundert auf eine Gesellschaft im Aufbruch, auf immer stärker werdende Märkte und enger geknüpfte Handels-Netzwerke, die bis nach Asien reichen. Um 1300 ist Florenz mit rund 100 000 Einwohnern eine der größten Städte Europas und führende Wirtschaftsmetropole.

Wie in diesem Ambiente die Künste florieren, zeigt das erste Kapitel der Bonner Florenz-Schau. Augenfällig ist eine kleine, feine Galerie mit Malerei des Trecento: Goldgrundierte Tafeln von Grifo di Tancredi, Cimabue, Lorenzo Monaco, Agnolo Gaddi und Niccolò di Pietro Gerini zeichnen eine spannende Entwicklung nach, die von einer eher starren Frontalität byzantinischer Prägung zu einer naturhaften, bewegteren Formen- und Bildsprache führt.

[kein Linktext vorhanden]Hier liegen die Wurzeln für die wahre Blütezeit von Florenz: die von Michelangelo und Leonardo, Donatello und Brunelleschi geprägte Renaissance. Ihr räumt die Ausstellung weiten Raum ein, hier sind die Hauptwerke der Schau zu sehen. Ein fantastisches Werk wie Andrea del Verocchios zwei Meter hohe Bronzegruppe "Christus und der ungläubige Thomas" (1467/83) aus der Florentiner Kirche Orsanmichele hat ebenso an den Rhein gefunden wie Botticellis "Madonna mit dem Kind und fünf Engeln" (um 1470) aus dem Louvre, Filipino Lippis "Tobias mit dem Engel" (1475/80) aus der National Gallery in Washington und Davide Ghiralndaios Bildnis eines jungen Mannes (um 1490) aus der Berliner Gemäldegalerie.

Nicht weniger als ein fulminantes Panorama der Florentiner Renaissancemalerei öffnet sich vor den Augen der Besucher, begleitet von wunderbaren Zeichnungen von Michelangelo und Leonardo, sinnfällig ergänzt durch Folianten und humanistische Schriften, die die Wiederentdeckung des antiken Autoren Plinius feiern. Gelehrte Theoretiker und Architekten wie Leon Battista Alberti hoben den Schatz der Antike für die Menschen der italienischen Renaissance.

Eine Zäsur setzt Anfang des 16. Jahrhunderts der Aufstieg der Medici in Florenz. Die Ausstellung öffnet sich an diesem Punkt zu unterschiedlichen Themenfeldern, berührt die Wissenschaft und das aufblühende Kunsthandwerk, beleuchtet den eher rückständigen toskanischen Hofstaat und - im Kontrast dazu - die Entwicklung von Florenz nach dem Aussterben der Medici und unter der Herrschaft der Habsburg-Lothringer zu einem modernen Staat in der österreichischen Dynastie.

Sieht man einmal von Paolo Martelottis weitgehend gescheitertem Farbkonzept ab, das die Besucher mit schreienden Türkis-, Aprikot-, Rot- und Violett-Tönen quält, ist die Schau unbedingt sehenswert. Auch dank der hoch interessanten filmischen 3D-Rekonstruktion des florentinischen Dombaus. Die Schau endet im 19. Jahrhundert, wo man im eigenen Interesse und für den wachsenden Tourismus in prallen Historienbildern an Dante, Cellini und die Medici erinnerte, die große Zeit der Metropole am Arno feierte. Das tut auch "Florenz!" in Bonn vorbildlich. Man möchte gleich einen Flug in die Toskana buchen.

Bundeskunsthalle; bis 9. März 2014. Di, Mi 10-21, Do-So 10-19 Uhr. Katalog 35 Euro

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