Inzestdrama "Marguerite et Julien" in Cannes Zeitlose Liebe

Mit einem ungewöhnlich inszenierten Inzestdrama hat die französische Regisseurin Valérie Donzelli Anspruch auf einen der Hauptpreise beim Filmfestival Cannes angemeldet. Lose basierend auf wahren Begebenheiten erzählt Donzelli in "Marguerite et Julien" die Geschichte der Geschwister Marguerite und Julien de Ravalet. 1603 wurden sie wegen Ehebruchs und Inzest in Paris zum Tod verurteilt.

 Anspruch auf eine Palme: Jeremie Elkaim und Anais Demoustier in einer Szene aus dem Film "Marguerite and Julien" FOTO: DPA

Anspruch auf eine Palme: Jeremie Elkaim und Anais Demoustier in einer Szene aus dem Film "Marguerite and Julien" FOTO: DPA

Foto: CANNES FILM FESTIVAL

Die Französin Donzelli ergreift überraschend klar Partei für die Geschwister, die sich schon als Kinder lieben. Die Eltern, der Onkel, sie alle sind gegen diese verbotene Liebe und werden im Film damit zur Bedrohung für die Liebe zwischen Julien und der etwas jüngeren Marguerite.

Was den Film aber vor allem aus den anderen, bisherigen Cannes-Beiträgen herausstechen lässt, ist Donzellis Erzählform. Ihr Werk ist in Teilen zwar als historischer Kostümfilm inszeniert, enthält aber auch moderne Elemente - und wirkt zugleich sehr zeitlos. Der Regisseurin gelingt so ein universalgültiges Plädoyer für die Liebe, egal gegen welche gesellschaftlichen und moralischen Konventionen.

Das Thema soll schon Regielegende François Truffaut interessiert haben. Ihm lag dazu wohl einst ein Drehbuch vor, das er aber in den 1970er Jahren verwarf. Nun ließ sich die Französin Donzelli von eben diesem Script inspirieren, schrieb es neu und verfilmte es. In einer kleinen Nebenrolle ist Geraldine Chaplin zu sehen. Donzelli ist eine von zwei Frauen, die im diesjährigen Cannes-Wettbewerb ihre Werke zeigen.

Die Pressekonferenz ist längst vorbei. Jane Fonda und Harvey Keitel sind schon gegangen. Michael Caine aber ist immer noch da. Umringt von Dutzenden Fans gibt der 82-Jährige am Mittwoch beim Filmfestival Cannes geduldig Autogramme und posiert für Fotos. Er ist deutlich gealtert. Das Haar schütter, die Schultern leicht gebeugt, der Gang etwas unsicher. Und doch begeistert die britische Schauspiellegende die Kinogänger noch immer - dieses Mal mit einer zu Tränen rührenden Darstellung in dem Cannes-Wettbewerbsbeitrag "Youth".

Caines Schauspielkarriere begann vor mehr als 60 Jahren. Er war der Verführer, der Draufgänger, später die fürsorgliche Vaterfigur. Nun aber, mit 82, lässt er in "Youth" das Leben Revue passieren: Fred ist gefeierter Dirigent im Ruhestand. In einem Schweizer Alpenhotel trifft er seinen langjährigen Freund Mick (Harvey Keitel, 76), einen Filmregisseur. Irgendwann kommt noch einer von dessen Stars (Jane Fonda) hinzu.

Ähnlich wie schon in seinem oscarprämierten Rom-Epos "La Grande Bellezza - Die große Schönheit" lässt der italienische Regisseur Paolo Sorrentino seine Protagonisten teilweise wie im Rausch durch ihr Leben gleiten. Verwoben mit Tagträumen und Rückblicken auf die Vergangenheit entwirft der Italiener vor der imposanten Bergkulisse so einmal mehr ein bildgewaltiges Werk voller kleiner Impressionen und großer Gefühle.

Den nachhaltigsten Eindruck in diesem Film hinterlässt Caine. In "Youth" ("Jugend") fasziniert er mit seinem nuancierten Spiel, das häufig nur aus Blicken oder Gesten besteht. Wie er mit seiner Tochter (Rachel Weisz) seltene, liebevolle Momente teilt, wie er seine im Pflegeheim lebende Frau besucht, wie er mit Mick die Schönheit einer jungen Frau bestaunt. "Für mich beschreibt genau das die Jugend", sagte der 82-jährige Caine in Cannes. "Wir schauen da etwas an, das wir verloren haben und nie wieder haben werden. Das ist sehr traurig." dpa

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