Funktional-elegantes Äußeres, moderne künstlerische Ausstattung Zeitlos schön

BONN · An einen "gigantischen Eiswürfel in Stanniol", der über den Rhein aufrage, fühlte sich ein Journalist der Neuen Zürcher Zeitung erinnert.

Im Spiegel konnte man lesen, dass "die perfektionierte technische Ausstattung, der Prunk und Glanz der Innenräume sowie die ungewöhnliche äußere Form des neuen Bauwerks" die "Premieren-Prominenz" mehr beeindruckt hätten als die Darbietung des Bonner Ensembles, die "Orestie" des Aischylos.

Als "originell und beziehungsreich" lobte die Zeit die Verbindung von Bühnenturm und Zuschauerhaus, beachtlich fand Johannes Jacobi damals die schiefe, sich nach vorne neigende Dachebene, die in spitzem Winkel die Glasfassade freigebe. "Linienführung und Körperformung ergeben für den Eingangstrakt eine sinnvolle Wirkung, wie sie - in der Idee vergleichbar - Kirchenportale hatten". Ein gewagter Vergleich, der aber eine Begeisterung für den Bau der Theater-Architekten Klaus Gessler und Wilfried Beck-Erlang, erkennen lässt.

Deren Gespür für bauliche Gestaltung, für moderne Materialien wie Beton, Glas und Aluminium und nicht zuletzt für die der Funktionalität geschuldeten Gestaltung lobte auch der General-Anzeiger in seiner Theaterbeilage zur Eröffnung. Vehement verteidigte man dort das neue Haus gegen Vorwürfe, es sei zu massig und "zerschlage die Rheinfront". Eine Kritik, die 50 Jahre später nicht nachvollziehbar scheint.

Transparenz, eine interessante Silhouette, die Asymmetrie, die nicht nur den Außenbau bestimmt, sondern viel stärker noch Foyer und Zuschauerraum, lassen den Theaterbau noch heute als herausragende Architektur erscheinen - weit über den Zeitgeschmack der 60er Jahre hinaus. Dass sich die heutige Oper in einem bedauernswerten Erhaltungszustand befindet - anders als das 1988 eröffnete, wunderbar sanierte und ebenfalls dem Geist der 60er verpflichtete Aalto-Theater in Essen -, kann man den Architekten nicht anlasten.

1959 hatten sie sich zusammen mit weiteren 80 Architekten dem Wettbewerb gestellt. Juryvorsitzender war Egon Eiermann, ein Vertreter der internationalen Moderne, in der Jury saß unter anderem der junge Beethovenhallen-Architekt Siegfried Wolske. Die Stuttgarter Gessler und Beck-Erlang erhielten den Zuschlag. Weiße, über Eck gestellte Metallkassetten aus eloxiertem Aluminium an der Außenhaut, hell gefasste Terrassenbrüstungen, die wie horizontale Bänder den Eingangsbereich krönen, als Kontrast die dunklen Fensterflächen und die Schieferverkleidung des Sockels sowie die schwarz eloxierten Lamellen des Eingangsbereichs zur Stadt hin: Eine klare Form- und Architektursprache bestimmt Außen- wie Innenbau.

Der Bau war wie die Ausstattung dem Zeitgeist der frühen 60er Jahre verpflichtet. Mit Otto Piene beauftragte man einen Hauptvertreter der damals wie heute hoch geschätzten ZERO-Gruppe. Von ihm stammen die drei Lichtkugeln im oberen Foyer, bestehend aus Aluminium-Körpern, die in unterschiedlicher Dichte mit Glühlampen besetzt sind (60, 300 und 1000 Birnen). Die Lichtkugeln entstammen der Werkgruppe "Neon", ähnliche Kugeln hat Piene für den Plenarsaal in Honolulu und die Weltausstellung in Monte Carlo sowie als autonome Kunstwerke geschaffen.

Pienes zweite Arbeit ist die "Lichtwolke" an der offenen Decke im Zuschauerraum. 1400 auf beweglichen, absenkbaren Flächen angebrachte Glühbirnen übernehmen die Rolle des klassischen Kronleuchters. Mit afrikanischem Edelholz ist der Zuschauerraum teilweise vertäfelt, der Rest wurde von dem Maler Lothar Quinte gestaltet. Graues PVC bedeckt den Boden, blau und einzeln klimatisiert sind die Stühle.

Hoher Standard auch bei der Kunst: Erich Hauser, einer der gefragtesten Bildhauer der 60er und 70er Jahre, stellte eine gleichsam schwebende Reliefplastik ins Foyer, der großartige HAP Grieshaber steuerte die 13 Meter breite Holzstockwand "Der Rhein" im damaligen Raucherfoyer bei. Das Material - Redwoodholz - fand auch in der Bierstube im Untergeschoss an der Rheinpromenade Verwendung.

Weitere Informationen: Morgen erscheint der Architekturführer "Stadttheater" als Band 3 der Edition Kritische Ausgabe der Werkstatt Baukultur Bonn (5 Euro).

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