"Heidnischer Frühling" Wenn die Erde tanzt

Der Titel "Heidnischer Frühling", der über dem jüngsten Freitagskonzert des Beethoven Orchesters stand, verriet bereits, dass Igor Strawinskis zum Abschluss gespieltes Ballett "Le Sacre du Printemps" das eigentliche Gravitationszentrum des Abends sein würde.

 Pieter Wispelwey (Violoncello) und Stefan Blunier (Dirigent).

Pieter Wispelwey (Violoncello) und Stefan Blunier (Dirigent).

Foto: Felix von Hagen

Der Auftakt mit den in ihrer letzten Fassung fast vierzig Jahre nach dem "Sacre" herausgegebenen und längst nicht so bekannten Vier Orchesteretüden wirkte da wie ein gezähmtes Vorecho auf dieses wilde, revolutionäre Jahrhundertwerk. Die erste, nur einminütige Etüde, "Danse", gestalten die Holzbläser überaus munter, wobei die harmonischen Störfeuer der Streicher und Blechbläser im Vergleich zu den Eruptionen des "Sacre" eher sanft ausfielen.

Doch die Stücke, die ursprünglich für Streichquartett beziehungsweise im Fall der vierten Etüde für ein selbstspielendes Klavier geschrieben wurden, entfalten ihren Reiz auch wegen des rhythmischen Variantenreichtums und der raffinierten Behandlung der Orchesterfarben, deren magische Schönheit Blunier und die Musiker virtuos herausarbeiteten.

Für Benjamin Brittens Symphony for Cello and Orchestra op. 68, das Blunier zwischen die beiden Strawinski-Werke schaltete, hatte der Chef des Beethoven Orchesters Pieter Wispelwey als Solisten eingeladen. Ein Glücksgriff. Man hört der Musik an, dass sie für ein Temperament wie dasjenige Mstislav Rostropowitschs geschrieben wurde, der es Britten gegenüber als "das Beste, was je für ein Cello komponiert wurde" bezeichnete. Wispelwey hielt sich denn auch nicht zurück, ließ sein Instrument in der Tiefe orgeln und führte es klanglich souverän bis in die höchsten Höhen, wobei er immer sehr genau auf das mit dem Soloinstrument eng verzahnte Orchester achtete. Es war schon ein großes Vergnügen, dieses Zusammenspiel etwa in dem mit Presto inquieto überschriebenen zweiten Satz zu verfolgen. Aber auch, wenn er einsam die Kadenz intonierte, überzeugte Wispelwey mit jedem Ton.

Der Applaus war riesig. Und am Ende ließ er das Publikum über die Zugabe entscheiden: "Bach oder Britten". Das Votum fiel eindeutig für Bach aus.

Nach der Pause dann der "Sacre", dessen Uraufführung vor 101 Jahren einem Erdbeben gleichkam, das bis heute noch nachwirkt. Blunier hatte das riesig besetzte Stück mit dem Orchester offenkundig sehr sorgfältig vorbereitet, so dass an Präzision und Brillanz kaum Wünsche offen blieben. Schon das berühmte Fagott-Thema des Anfangs gelang ganz hinreißend. Ebenso die fein abschattierten Klangfarben im Frühlingsreigen oder die komplex-bedrohliche Rhythmik beim Auftritt des Weisen und beim Tanz der Erde. Blunier steuerte den gigantischen Orchesterapparat mit präzisen Gesten durch dieses Klangdickicht. Und wenn nach dem ruhigeren, in mystischen Farben leuchtenden Beginn des zweiten Teils das Opferritual beginnt, machte das Beethoven Orchester dies mit ekstatischer Wucht deutlich, die im Opfertanz der Auserwählten gipfelte.

Druckvolle Hörner, scharfe Bläserattacken, martialische Pauken und wuchtige Streicherakzente setzten markante musikalische Ausrufezeichen. Auch hier großer Applaus in der gut besuchten Beethovenhalle. Als Zugabe präsentierte Blunier zur Freude des Publikums die kleine Fuge in g-Moll BWV 578 von Johann Sebastian Bach in der wunderschön romantischen Bearbeitung von Leopold Stokowski.

Bonner SPD und Linksfraktion zu Bluniers Rückzug 2016

Mit "großer Verwunderung" hat die Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Bonn, Bärbel Richter, die Erklärung des Generalmusikdirektors Stefan Blunier zur Kenntnis genommen, dass und warum er seinen Vertrag mit der Stadt Bonn nicht verlängern wolle. "Dass Herr Blunier in Bonn nicht verlängern will, ist angesichts seiner guten Arbeit in den vergangenen Jahren bedauerlich." Die Erklärung, warum er das nicht tue, erscheint Richter jedoch nicht akzeptabel, zumal konkret gar nicht über Einsparungen im Orchester gesprochen worden sei.

"Das Orchester soll und muss ein Aushängeschild für Bonn bleiben. Das wird aber auch bei Umsetzung des Ratsbeschlusses aus 2007 zur Stellenbesetzung so bleiben", erklärte Helmut Redeker, stellvertretender kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. "Viele Amtsleiterinnen und Amtsleiter haben Einsparungen im Personal hinnehmen müssen. Wir können nicht verantworten, darüber nicht auch beim Orchester zu sprechen", so Richter. "Ein Signal, zumal ein kämpferisches, gegen drohende Kürzungen oder gar Schließungen, stelle ich mir anders vor", sagte Jürgen Repschläger (Linksfraktion). "Blunier hätte ja auch sagen können: Ich will gerne weitermachen, ich möchte gerne 2020 mitgestalten. Wenn Politik und Verwaltung das auch wollen, dann sollen sie mir Garantien geben."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort