Unesco-Komitee im WCCB Welche Bauten werden Welterbe?

BONN · Das Unesco-Komitee tagt im Bonner WCCB. Ab Freitag fallen die Entscheidungen über künftige neue Welterbestätten. Der Hamburger Beitrag hat gute Chancen, auf die Liste zu kommen, der Naumburger Dom wird wohl scheitern

 Chancen: Hamburg liegt mit dem Chilehaus und der Speicherstadt gut im Welterbe-Rennen.

Chancen: Hamburg liegt mit dem Chilehaus und der Speicherstadt gut im Welterbe-Rennen.

Foto: DPA

Die Stimmung ist ähnlich wie vor der Oscarverleihung, insbesondere bei den Ländern, die nach langwieriger Vorbereitung ihre nominierten Stätten ins Rennen schicken - in der Hoffnung, dass sie den Titel Unesco-Welterbe bekommen und es auf die begehrte Liste schaffen. Die Sehnsucht nach der großen Ehre und - nicht zu unterschätzen - die Aussicht auf lukrative Touristenströme treibt Länder dazu, sich der aufwendigen Bewerbungsprozedur zu unterziehen.

Das Welterbekomitee lädt zur 39. Sitzung ins Bonner WCCB. Gestern wurde die Tagung im Plenarsaal eröffnet, zu der 1000 Delegierte und über 200 Journalisten aus aller Welt erwartet werden. Den Vorsitz hat Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Die CDU-Politikerin war im vergangenen Jahr in Katar zur Präsidentin des Welterbekomitees gewählt worden. Traditionell richtet das Heimatland des jeweiligen gewählten Präsidenten die nächste Konferenz aus. Deutschland ist zum zweiten Mal Gastgeber des Unesco-Welterbekomitees. 1995 tagte es in Berlin.

Die kritischen Tage sind der Freitag bis Sonntag, da fallen die Entscheidungen Schlag auf Schlag, da werden Sektkorken knallen, respektive Tränen fließen. 36 Nominierte stehen zur Debatte im Welterbekomitee. Zwar liegen die Gutachten des Internationalen Rates für Denkmalpflege (International Council on Monuments and Sites - Icomos) und des Pendants für das Naturerbe ("International Union for Conservation of Nature - IUCN), vor. Doch sei alles offen, sagt Katja Römer, Pressesprecherin der Deutschen Welterbekommission, denn das Welterbe-Gremium aus 21 Mitgliedern ist nicht an die Gutachten gebunden: "Im Prinzip können alle Nominierten auf die begehrte Liste kommen, aber es ist unwahrscheinlich, dass es alle schaffen; die Diskussionen finden im Komitee statt."

Mit Spannung erwartet werden etwa die Beratungen rund um die deutschen Beiträge. So bewirbt sich Deutschland etwa mit der Hamburger Speicherstadt und dem Kontorhausviertel mit dem Chilehaus, dem 1922 bis 1924 erbauten markanten Gebäude, mit dem Architekt Fritz Höger den Referenzbau für den Backsteinexpressionismus der 1920er Jahre schuf, der von Backsteingotik und Expressionismus inspiriert war.

Ferner ist der Naumburger Dom, erbaut zwischen 1207 und 1242, zusammen mit der hochmittelalterlichen Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut für die Unesco-Welterbeliste nominiert. Schließlich ist Deutschland an einem länderübergreifenden Projekt beteiligt: "Denkmäler und Stätten der Wikinger" ist die Nominierung überschrieben, die in Deutschland liegenden Stätten Danewerk und Haithabu sind dabei.

Gute Karten scheint die Hamburger Bewerbung zu haben. Zu dem positiven Gutachten von Icomos gesellt sich ein für die Hanseaten Mut machendes Statement der Welterbe-Präsidentin Böhmer, die vor wenigen Tagen zum Ortstermin in Hamburg weilte. Die "Welt" zitiert Böhmer mit den Worten: "Ich bin guten Mutes, dass die Entscheidung, was diese Nominierung betrifft, leicht fallen wird." Sie blicke "mit großer Zuversicht" auf die Konferenz, sagte sie im Chilehaus, räumte aber ein, sie könne das Ergebnis der Abstimmung nicht vorhersagen. Böhmer hat nur eine Stimme von 21. Hamburg wartet seit 16 Jahren auf den Titel. 1999 kam das Chilehaus erstmals auf die deutsche Vorschlagsliste, 2007 erweiterten die Hamburger die Nominierung auf das Kontorhausviertel. Anfang 2014 reichte die Hansestadt das mehrere tausend Seiten umfassende Bewerbungspapier beim Unesco-Komitee in Paris ein.

Glaubt man Architekturexperten und Presseberichten, wird es dem Chilehaus und Hamburg gelingen, die Nummer 40 auf der illustren Liste deutscher Welterbestätten zu werden.

Die Nummer eins war 1978 der Aachener Dom, der Speyerer Dom folgte drei Jahre später. 1981 kam die Würzburger Residenz und der Hofgarten dazu. Es folgten die Wallfahrtskirche "Die Wies", die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl (1984) sowie der Dom und die Michaeliskirche in Hildesheim (1985). Die römischen Baudenkmäler, der Dom und die Liebfrauenkirche von Trier kamen im Jahr 1986 dazu. Weitere deutsche Welterbestätten sind die Hansestadt Lübeck, die Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin, das Kloster Lorsch, das Bergwerk Rammelsberg, die Altstadt von Goslar und die Oberharzer Wasserwirtschaft.

Welterbe sind ferner die Altstadt von Bamberg, Kloster Maulbronn, die Stiftskirche, das Schloss und die Altstadt von Quedlinburg, die Völklinger Hütte und die Grube Messel. 1996 kam der Kölner Dom erst auf die Welterbe- und 2004 auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte deutscher Welterbestätten. Der Hintergrund: die Gefährdung der visuellen Integrität des Doms und der einzigartigen Kölner Stadtsilhouette durch geplante Hochhausbauten auf der dem Dom gegenüberliegenden Rheinseite. Bei der Tagung in Vilnius 2006 wurde der Dom wieder von der Roten Liste gestrichen.

Unangefochtene deutsche Welterbestätten sind das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau, die Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg, das Klassische Weimar, die Wartburg und die Berliner Museumsinsel, das Gartenreich Dessau-Wörlitz, die Klosterinsel Reichenau und der Industriekomplex Zeche Zollverein in Essen. Letzte Positionen der Liste sind die Altstadt von Regensburg, die Siedlungen der Berliner Moderne, das Wattenmeer, die Buchenurwälder der Karpaten und alte Buchenwälder Deutschlands, das Fagus-Werk in Alfeld, das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth und der Bergpark Wilhelmshöhe. 2014 kam das karolingische Westwerk und Civitas Corvey auf die Liste.

Schlechte Chancen für die aktuelle Wahl hat der zweite Kandidat des deutschen Nominierungs-Trios. Im Fall des Naumburger Doms, der seit 17 Jahren in der Welterbe-Warteschleife hängt, droht ein Debakel. Denn der für das Unesco-Gutachten zuständige Internationale Rat für Denkmalpflege (Icomos) zerreißt die Nominierung, die auch die Landschaft Saale-Unstrut betrifft, in der Luft. Icomos bezweifelt, dass es sich hier um einen "einmaligen universellen Wert" handelt. Das in der Bewerbung aufgeführte mittelalterliche Erbe sei vielfach schon überbaut und gar nicht mehr intakt erhalten, Grundsatzkriterium für die Anerkennung als Welterbe, urteilt das Gutachten. Man empfehle, den Naumburger Dom und das Saale-Unstrut-Gebiet nicht in die Liste der Welterbestätten aufzunehmen.

Schlechte Karten hat auch die gemeinsam mit Dänemark, Island, Lettland und Norwegen eingereichte Bewerbung unter dem Motto "Alte Stätten der Wikinger". Icomos gibt dem Unesco -Komitee die Empfehlung, die Nominierung zurückzustellen, eine substanzielle Überarbeitung und Neueinreichung vorzuschlagen.

Doch es geht bei der Tagung nicht nur um die begehrten Welterbe-"Oscars". Die dicht gedrängte Tagesordnung wird sich auch der Roten Liste mit den gefährdeten Welterbestätten widmen. "Aktuell stehen 46 Stätten auf der Liste", berichtet die Pressesprecherin der deutschen Unesco-Kommission, Römer, "darunter sind das Great Barrier Reef oder das von der Naturkatastrophe bedrohte Kathmandutal in Nepal, aber auch alle sechs Stätten in Syrien, etwa Palmyra und Aleppo".

Die Unesco habe insbesondere, was die Bedrohung der Welterbestätten durch den IS angeht, nur begrenzte Möglichkeiten. Die Unesco versuche technische Hilfe zu leisten, Kräfte vor Ort auszubilden, Schutzzonen um die Welterbestätten zu definieren und zu verhindern, dass Raubgut das Land verlässt. "Dazu gab es im UN-Sicherheitsrat eine Resolution für Irak und Syrien, die erste Erfolge zeigt", sagt Römer und verweist auf die gute Zusammenarbeit der Unesco mit Interpol, Zollämtern, dem Kunsthandel und Organisationen, die zum Beispiel die Welterbestätten per Satellit überwachen.

Ein weiteres Thema der bis zum 8. Juli laufenden Unesco-Sitzung wird die internationale Schieflage bei der Ernennung von Welterbestätten sein. Deutschland firmiert mit seinen 39 Welterbestätten auf Platz fünf der Liste. "Die Liste hat derzeit Schlagseite zu Europa-Pazifik und Asien", räumt Katja Römer ein, "insbesondere afrikanische Länder sind nicht ausreichend vertreten". Das liege daran, dass der Prozess der Nominierung sehr aufwendig sei. "Das Komitee hat eine globale Strategie ausgearbeitet, um das Verhältnis zu verbessern und eine für die Welt repräsentative und glaubwürdige Liste aufzustellen", sagt sie. Und eine gute Nachricht gibt es auch schon: Ein auf die Rote Liste geratener Nationalpark in Kolumbien hat es durch systematisch umgesetzte Schutzmaßnahmen geschafft, wieder zurück in den Schoß der Welterbefamile zu kommen.

Das Unesco-Welterbekomitee tagt bis zum 8. Juli im WCCB (Plenarsaal). Informationen unter www.39whcbonn2015.de und www.unesco.de. Der 518-seitige Bericht des Internationalen Rates für Denkmalpflege findet sich unter whc.unesco.org

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