Filigraner Tastenzauber in der Kölner Philharmonie Wassermusik am Klavier

Der attraktiven Hélène Grimaud sieht man nicht unbedingt an, dass ihr ein rebellisches Gemüt innewohnt. Aber es gibt von der französischen Pianistin Aussprüche wie "Ich muss obsessiv sein" oder das Eingeständnis, bei romantischen Komponisten würde sie vorzugsweise von deren "düsteren Seite" angezogen.

Und wie sie vehement in die Tasten greift, das lässt auf enorme verborgene Energien schließen. Auch in der Philharmonie wurde man konfrontiert mit einer fast maskulin zu nennenden Artikulation und einer merklichen Lust an halsbrecherischen Läufen und Oktavendonner.

Das war bereits im Vorpausen-Programm zu spüren, obwohl sein Motto "Jeux d'eau" (das gleichnamige, hochvirtuose Ravel-Stück war in der Mitte der acht unterschiedlichen Werke platziert) eine eher verhaltene Lyrik hätte erwarten lassen. Teilweise war das auch der Fall, so bei Luciano Berios "Wasserklavier" von 1965 und Toru Takemitsus "Rain Tree Sketch" von 1982. Bei Berio überraschte der enorm sanfte Duktus und vor allem der häufige Rückgriff auf reine Dur-Akkordik. Bei Takemitsu geriet die Musik in weitaus stärkere Bewegung.

Hélène Grimaud spürte dem Perlenspiel beider Werke mit filigranem Anschlag und klanglicher Feintönung sensibel nach, ließ die Musik bei Bedarf aber auch heftig hochschäumen. Das Gleiche bei Gabriel Faurés Barcarolle opus 66 und Franz Liszts "Jeux d?eau à la Villa d'Este" wie auch bei Isaac Albéniz? "Almeria" (aus dem 2. Band von "Iberia") und Leos Janáceks "Im Nebel", wobei das Wasser hier eine nur bedingt koloristische Rolle spielt. Mit leise hallenden, gedeckten Akkorden ertönte am Ende dieses offenkundig als musikalische Einheit gedachten Abends (sehr kurze Pausen) Claude Debussys "Cathédrale engloutie", womit die Nebelstimmung des vorangegangenen Stückes eine stark atmosphärische Fortsetzung erfuhr.

Darauf folgend hörte man die zweite Klaviersonate von Johannes Brahms. Der ungezähmt wirkenden Wildheit von Opus 2 eignet noch heute eine nachgerade beklemmende Wirkung. Hélène Grimaud stürzte sich in einen wahren Hexenritt an explosiver Expressivität. Das Ergebnis war über die Maßen elektrisierend. Der Pianistin merkte man Freude an ihren Kraftakten an, doch bot sie nicht pauschale Klangmassen, sondern gestaltete Musik. Die drei Zugaben (Debussy, Rachmaninow, Brahms) ließen einige zusätzliche Interpretationsfacetten erleben.

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