Kunstmuseum in Bonn Von Malern und Göttern

Bonn · Das Kunstmuseum Bonn feiert in einer grandiosen Schau die Künstlerfreunde August Macke und Franz Marc.

Die drei Herren sind Maler und Cézanne ist ihr Gott": Etwas holzschnittartig berichtet Franz Marc seiner Maria über den Besuch von August Macke, seinem Vetter Helmuth Macke und Bernhard Koehler junior, Sohn des Sammlers Bernhard Koehler, Onkel von Elisabeth Macke, Anfang 1910 in seinem Münchner Atelier. Mackes Götter sind Franzosen, er hatte 1908 Impressionisten in Paris gesehen, Marc fühlt sich zu Kandinsky, Münter und Jawlensky hingezogen, schätzt van Gogh. Der Bonner Macke ist damals gerade 23, Marc noch 29 Jahre alt. Die Paare August/Elisabeth und Franz/Maria treffen sich bald darauf im Feriendomizil der Mackes in Tegernsee, eine intensive Freundschaft beginnt.

Davon und von wechselnden Göttern der Moderne handelt eine außergewöhnliche und mit 200 Werken sensationell gut bestückte Ausstellung im Kunstmuseum Bonn. Leihgaben kommen etwa aus New York, Paris, Madrid und Zürich. Mackes hundertster Todestag am 26. September ist der Anlass, der erste umfassende Blick auf diese in der Moderne einzigartige Künstlerfreundschaft das Ergebnis dieses größten Ausstellungsprojekts der vergangenen zehn Jahre im Kunstmuseum. Dessen früheste Lebenszeichen haben mit Macke zu tun: 1949 erwarb man als erste Werke Mackes "Seiltänzer" und das "Türkische Café". Inzwischen hat Bonn eine exquisite Macke-Sammlung zu bieten und schultert nun - zusammen mit dem Lenbachhaus in München - die hochkarätige (150 Millionen Euro Versicherungswert) Schau über die Künstlerfreunde Macke und Marc.

Kurator Volker Adolphs hat sie nach fein verzahnten chronologischen und thematischen Aspekten arrangiert und präsentiert eine wahre Schule des Sehens. In pointierter Gegenüberstellung macht er nicht nur Parallelen und Unterschiede im Werk beider Künstler aus, sondern spiegelt deren sehr individuelle Aneignung der Moderne. Kubismus, Futurismus, die Fauves und Delaunay: Alles, was in der Luft lag, wurde aufgegriffen, adaptiert und diskutiert. Wobei Macke zunächst forscher zuwege ging, beherzter die Farbe eroberte, während der ältere Kollege Marc sich noch in Pastelltönen an van Gogh und Renoir abarbeitete. Dafür eroberte sich Marc zielstrebig die Abstraktion, um seinem transzendenten, geistigen Prinzip der Weltdurchschauung näherzukommen, während Macke nach dem Motto "Unfassbare Ideen brauchen fassbare Formen" trotz Flirts mit der Abstraktion an der diesseitigen Gegenständlichkeit festhielt.

Die exzellente Ausstellung startet mit dem ersten Zusammentreffen der Maler. Zu sehen sind geradezu private Bilder und Dokumente - und bereits die erste gemeinsame Zeichnung in Mackes Skizzenbuch. "Du Spanier! Lass Dir mal ganz lieb was erzählen. Dieses Bonn ist eine echte Rentnerstadt. Alles sehr still, seriös, unauffällig", schreibt Macke Ende 1910 an Marc. Und malt seine Stadt in bunten Farben. Marc malt derweil Akte - seine letzten, denn bald werden Tiere die Protagonisten seiner Naturbilder. Binnen kürzester Zeit wandelt sich Marcs Farbpalette, wird bunter, dichter, gleichzeitig findet auch Macke auf den Spuren Matisses zu einem intensiveren Kolorit. Das Licht soll unmittelbar durch die Farbe ausgedrückt werden. Adolphs vereinigt in diesem eindrucksvollen Farb-Kapitel Mackes "Gemüsefelder" (1911) mit Marcs "Pferd in der Landschaft", bei dem ein Pferd als Rückenfigur à la Caspar David Friedrich über ein grellgelbes Feld blickt. Ein fantastisches Bild aus dem Folkwang in Essen.

Mitten in die Farbdebatte der Freunde kommt deren Beschäftigung mit dem "Blauen Reiter", dessen Mitbegründer Marc war. Macke bringt sich mit seinen skurrilen "Indianern auf Pferden" ganz in die Nähe dieses Kreises. Doch seine Welt ist das nicht. Dass Mackes "Lautenspielerin", weil von Kandinsky als zu schlicht empfunden, beim "Blauen Reiter" durchfiel, kränkte ihn. Marcs "Die gelbe Kuh" aus dem Guggenheim in New York zeigt bereits, wie der Maler die Natur interpretiert, als unbeherrschbaren Ort, in dem unkontrollierbare Kräfte wirken. Mackes Welt dagegen ist geordnet, übersichtlich, seine Natur erschlossen. Was dem Bonner der zoologische Garten mit seinen Passanten und Flaneuren ist, ist dem Münchner sein bedrohlicher Urwald mit einer Tierwelt, die kamouflageartig mit der Natur verschmilzt.

Das spannendste Kapitel der Schau beleuchtet, wie sich Marc und Macke die Moderne aneignen. Ob futuristische Bewegungsstrudel durchs Bild rauschen oder sich alles kubistisch auffächert, ob sich das Bild in flimmernde Farbflächen auflöst oder einer strengen Geometrie folgt: Beide bleiben sich treu und in ihrem Werk erkennbar. Mackes "Seiltänzer" aus Bonn, die verwandte "Zirkusszene" aus Madrid, Marcs "Gazellen" aus Kochel und die "Drei Katzen" aus Düsseldorf: Hier reiht sich Meisterwerk an Meisterwerk. Die grandiose Ausstellung mündet in das Schicksalsjahr 1914, Mackes Todesjahr. An den Wänden ausgebreitet ist ein unglaublicher Schaffensrausch: Bei Macke folgt auf die Aquarelle der Tunisreise eine letzte Serie großartiger Gemälde. Marc steht mit seinen spielenden und kämpfenden Formen vor dem Tor zur Abstraktion.

Der Kriegsausbruch stoppt diesen fiebrigen, kreativen, leicht überhitzten Drang beider Künstler. In einer Vitrine lesen wir als erschütternden Schlusspunkt Marcs Nachruf auf seinen Freund, den "jungen Macke".

Kunstmuseum Bonn; bis 4. Januar. Di-So 11-18, Mi bis 21 Uhr. Katalog (Hatje Cantz) 34 Euro.

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