Künstler Harald Fuchs im LVR-Landesmuseum Viele Fragen, auf die es keine Antwort gibt

Am Anfang steht die Frage. Sie markiert den Beginn jeglicher Gedanken- und Werkprozesse, die der Kölner Foto- und Installationskünstler Harald Fuchs in Gang setzt.

 Darf ich fotografieren? Harald Fuchs im Landesmuseum.

Darf ich fotografieren? Harald Fuchs im Landesmuseum.

Foto: Fischer

Darum griff er nicht auf sein vorhandenes Oeuvre zurück, als das LVR-Landesmuseum ihn zu einer Ausstellung der Reihe "Szene Rheinland" aufforderte. Harald Fuchs fragte vielmehr: Wie sieht es in diesem Museum aus, wie in seiner Restaurierungswerkstatt? Was geschieht mit den zahllosen Objekten im Museumsdepot und was mit den Referenzobjekten im Institut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Köln? Und er fragte: Darf ich fotografieren? Natürlich durfte er.

Das Ergebnis ist jetzt wesentlicher Teil seiner Ausstellung mit dem Titel "Das Jetzt dauert 30 Millisekunden". Wiederum Fragen über Fragen: Wer misst das Jetzt, einen Moment wie ein Wimpernschlag? Welche Erfahrung macht das Individuum mit dem Phänomen Zeit? Harald Fuchs hat also in den verschiedenen Räumen des Museums und in dem Kölner Institut fotografiert und je acht doppelseitige Aufnahmen (16 Abbildungen) in vier gläsernen Vitrinen, "Verortungen" genannt, arrangiert, wobei sich Objekte - wie etwa der Schädel des Neandertalers - erkennen lassen.

Doch der Installationskünstler Harald Fuchs hat die Regeln der Museumspräsentation gebrochen. Er lässt die Vitrinen einen Spalt weit offen, und er setzt auf verfremdende Spiegelungen. Auch sonst instrumentalisiert er den Spiegel als Symbol von Wissen und Unwissenheit. Was sehen wir? Welche Realität oder gar Wahrheit?

Auch hier folgt der Künstler seiner Maxime, keine Antworten, sondern nur Denkanstöße zu liefern. Zuweilen bietet er Hilfestellungen, wenn er etwa Korrespondenzen zwischen dem veritablen Kern eines Feuersteins mit seinen Absplitterungen einerseits und einer Atomkernspaltung im Bilde andererseits herstellt oder wenn er im "Pebble Tool Bike" Basiserfindungen der Menschheit, das Steinwerkzeug und das Rad, zusammenführt.

Nicht nur diese ersten Werkzeuge der zwei Millionen Jahre alten afrikanischen Oldowan-Kultur haben ihn fasziniert und inspiriert; er hat auch den jüngeren, bereits bearbeiteten Faustkeilen nachgespürt. Harald Fuchs, Grenzgänger zwischen Kunst und Wissenschaft, hat eine Expedition in die algerische Wüste begleitet und ist mit ihr auf ein Feld mit zahlreichen neolithischen Faustkeilen gestoßen, die der Wüstenwind freigelegt hatte.

Jetzt sind sie in ihrer materiellen archaischen Erscheinung, übertragen in eine raumgroße moderne Video-Installation, zu sehen, die auf einen kultischen Kontext verweisen könnte. Ein monotoner Sprechsound suggeriert urzeitliche Riten. Glaube, Magie und ferne Mythen werden evoziert. Der Künstler spricht von einer "Zeremonie-profan" - ein Paradoxon.

Harald Fuchs fragt: Was hat die Schöpfer solcher Werkzeuge oder auch der frühen Bandkeramik bewegt, die er mit anderen Keramiken aus dem Depot geholt hat? Einer, sagt er, muss - und das zeigt sein ungelenkes Ritzdekor - bei der Arbeit gezittert haben. Das Gefäß bekommt ein menschliches Gesicht. Welche Bilder macht sich die Wissenschaft von den Zeugnissen frühmenschlicher Kulturen? Welche macht sich das Publikum? Auf jeden Fall ist der Blick ins Museum verändert. Er trifft auf Dinge, die er zuvor nicht gesehen hat. Man muss sich allerdings auf die ungewohnte Sicht des Künstlers einlassen.

LVR-Landesmuseum bis 3. Mai; Di bis Fr und So 11 - 18, Sa 13 - 18 Uhr; Katalog 19,90 Euro

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