Theater Bonn Verlust gehört dazu

BONN · Sabine Harbeke inszeniert ihr neues Theaterstück "eine nacht lang familie" am Theater Bonn. Die Premiere findet am Freitagabend statt.

 Bewegtes Familienbild: Momentaufnahme von den Proben. FOTO: THILO BEU

Bewegtes Familienbild: Momentaufnahme von den Proben. FOTO: THILO BEU

Der Hafen hat es Sabine Harbeke besonders angetan. "Da ist eine Sehnsuchtswelt in mir", sagt sie. Wahrscheinlich Wikingerblut, wie sie lachend vermutet. Auf jeden Fall war die Schweizer Autorin, Regisseurin und Filmemacherin begeistert, als sie vor anderthalb Jahren durch Bonn streifte, um in der Bundesstadt nach Inspirationen für ihr neues Theaterstück "eine nacht lang familie" zu suchen, und dabei im Norden auf die Verladekräne und Container traf. So viele Versatzstücke, kompakte Einheiten, die nach einem bestimmten System geordnet werden.

In dem vom Theater Bonn in Auftrag gegebenen Werk, das Freitagabend in der Werkstatt seine Premiere feiern wird, schimmert dies sowohl in der Sprache als auch in einer Figur durch, ebenso wie andere Erlebnisse, die Harbeke auf ihrer Entdeckungstour machte. Etwa Interviews mit einer zum Islam konvertierten Frau ("diese Begegnung hat mit Welten eröffnet"). Die Geschichten der Diplomaten im ehemaligen Regierungsviertel. Oder Erfahrungen in einer von Vietnamesen betriebenen Wäscherei. Auch das ist Bonn. Mit dem richtigen Blick.

Im Mittelpunkt von "eine nacht lang familie" steht jedoch als übergeordnetes, allgemeingültiges Problem der Verlust. "Für mich ist das eines der Kernthemen des Lebens", sagt Harbeke. "Wir sind immer damit konfrontiert und müssen mit der Veränderung klarkommen. Diesen Wellenschlag, das Umgehen mit der neuen Situation, finde ich ungeheuer spannend."

In ihrem Stück ist es Mutter Margrit, die den dazugehörigen Stein ins Leben fallen lässt: Noch einen Abend will sie mit ihrer Familie verbringen und sich danach von dieser entsagen. Für ihre Angehörigen, ohnehin alles instabile Charaktere, bricht eine Welt zusammen.

Jetzt müssen sie mit sich und den anderen klarkommen, wenn sie wieder zusammenwachsen und auch am Ende noch Familie sein wollen. "Dem begegnen wir mit einer großen Ernsthaftigkeit", erklärt Harbeke, "auch wenn es einige absurde Momente geben wird." Der Tragödie könne man schließlich nur mit Galgenhumor beikommen.

Da bei setzt die Autorin auf eine verdichtete Sprache, auf die Mehrdeutigkeit von Worten, denen sie "mit einer produktiven Skepsis" gegenübersteht. "Meine Texte sind sehr rhythmisch gebaut und zeichnen sich durch eine Verknappung aus", erläutert sie. "Ich versuche, eine Überhöhung der Sprache zu finden, ohne dabei in eine Art von Blumigkeit zu verfallen."

Die Rollen sind den Schauspielern auf den Leib geschrieben. "Ich habe ihnen irgendwann das Figurengeflecht vorgestellt und sie dann improvisieren lassen, um zu sehen, wie sie mit ihren Rollen umgehen. Dabei bin ich mit ihnen zum Teil vor Ort gewesen: Sören Wunderlich, der den Kranführer Horst-Holger spielt, durfte zum Beispiel im Hafen auch mal selbst einen Container setzen und hat so eine ganz besondere Beziehung zu seiner Rolle erhalten. Diese Beobachtungen haben sich bei mir ebenso wie die Recherchen bei mir angestaut."

Und daraus entstand schließlich der Text. "Ja", bestätigt Harbeke. "Ich habe ihn mehrfach umgeschrieben, zuletzt nach dem Anschlag auf 'Charlie Hebdo'. So eine politische Begebenheit schwappt immerhin auch in das Familienleben hinein." Insofern ist "eine nacht lang familie" gezielt für diesen Frühling geschaffen worden. Und für diese Stadt. "Natürlich könnte man das Stück auch in einer anderen Stadt spielen. Aber ich glaube, das wäre dann noch einmal etwas anderes."

Aufführungen

Premiere: Freitag, 20 Uhr, in der Werkstatt.

Weitere Aufführungen am 31. März, 9., 14., 15., 17., 22. und 24. April sowie am 8. und 22. Mai.

Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort