Theater Marabu in Bonn "Tinte ist schwärzer als Blau" : Eine Gasse für die Fantasie

BONN · "Oh!" - die Schauspielerin Julia Hof-staedter im weißen Ballettröckchen trägt den Laut buchstäblich auf der Zunge: ein kleines weißes "o".

 Sie trägt ihn: Julia Hofstaedter und Daniel Mathéus.

Sie trägt ihn: Julia Hofstaedter und Daniel Mathéus.

Foto: Ursula Kaufmann

Mit einem großen "O" aus Styropor spielt ihr Bühnenpartner Daniel Mathéus, nachdem die beiden das Publikum bei der ersten Familienvorstellung von "Tinte ist schwärzer als Blau" per Handschlag begrüßt und aus einem künstlichen Sprachmix englische und deutsche Elemente herausgefiltert haben.

"O" ist ein Laut, der je nach Situation Verschiedenes ausdrücken kann. "O" ist aber auch ein Schriftzeichen und sieht genauso aus wie das große ovale Loch in der Rückwand. Eigentlich fängt jedoch alles mit "A" an, was nicht nur für das Wort "alles" gilt. Sehr witzig spielen sie das Alphabet durch, lassen den Wind zum "F" blasen, gratulieren einem Gregor zum Geburtstag, werfen das übelriechende "I" (Igitt!) schnell in die Ecke und muhen zum "Q" wie die Kuh.

Es geht um Sprache in dem Stück, das der Regisseur Benjamin van Bebber am Theater Marabu in der Reihe "Nachwuchsförderung Regie im Kinder- und Jugendtheater" entwickelt hat. Seit 2006 räumen die Marabus jungen Talenten jährlich einen Experimentierplatz frei. Inzwischen beflügeln sie damit nicht mehr nur die eigenen Küken. Van Bebber, Jahrgang 1984, hat nach Hamburger Projekten in Oper und Schauspiel nun in Bonn Neuland erforscht und zum ersten Mal ein Kinderstück erarbeitet.

Natürlich geht es dabei auch ums Theater selbst: Ist das merkwürdige weiße Objekt auf der Bühne (Ausstattung: Imke Paulick) ein Brombeerstrauch oder nur ein getarnter Lautsprecher? Die Musik von Frieder Hepting und eingespielte Textpassagen öffnen den Spielraum für weitere Fantasie-Optionen und tänzerisch-spielerische Aktionen der beiden Performer.

Das Dada-"D" wirft poetische Schatten auf die prinzipielle Sinnfreiheit von Klängen und Zeichen. Wir könnten das violette Kleid der Spielerin auch Erdbeere nennen und ihre blaue Perücke einfach Qualle, den Baum Tree oder Arbre. Es ist ein sprachtheoretischer Gemeinplatz, dass wir uns darauf geeinigt haben, bestimmte Gegenstände mit willkürlichen Lautkombinationen zu verbinden und diese mit ebenso zufälligen Schriftzeichen. Im Theater wird das wieder zu bewegten Körpern, die heiter sinnlich Bedeutungen behaupten.

Das Tolle an der Sprache ist ja, dass man grammatisch korrekt vordergründig völlig sinnlose Sätze wie "Tinte ist schwärzer als Blau" sagen und damit eine ganze Fantasiewelt erobern kann.

Info

Empfohlen für Zuschauer ab 6 Jahren und jüngere mit ersten Leseerfahrungen. Nächste Familien-Vorstellungen am 2. November um 16 Uhr und am 7. November um 14.30 Uhr. Karten: (0228) 433 97 59.

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