Brotfabrik in Beuel Tanzkompanie bo komplex zeigte "Romeo & Julia"

Ganz in Weiß mit weißen Masken erscheinen sie zum Ball bei den Capulets. Und liegen dann erst mal am Bühnenrand im bei der Premiere restlos ausverkauften Theatersaal der Brotfabrik aufgereiht wie Leichen.

 Exzellente Qualität: Drei Paare verkörpern in der "Romeo & Julia"-Variante die Lebens- und Liebeszeitalter.

Exzellente Qualität: Drei Paare verkörpern in der "Romeo & Julia"-Variante die Lebens- und Liebeszeitalter.

Foto: BK

"Mach mich lebendig, dass ich sterben kann" aus Thomas Braschs "Spiel von Romeo und Julia nach William Shakespeare" hat die Bonner Tanzkompanie "bo komplex" als Motto gewählt für ihre neue Version der berühmtesten Liebesgeschichte der Weltliteratur. Prokofjews bekanntes Handlungsballett steht sehr weit im Hintergrund, wenngleich die Aufführung einige erzählerische Momente enthält. Es geht vor allem um drei Tänzerpaare, die auch privat miteinander verbunden sind und die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln präsentieren.

Da sind Maria Louise Golding und Salim Ben Mammar (beide Mitte Zwanzig), die die wie ein Blitz einschlagende Liebe verkörpern, völlig hingegeben an ein übergroßes Gefühl und selbst staunend vor dem Sturm der Leidenschaft. Amaia Lopez Zurutuza und Enrico Palvarini (beide knapp über Dreißig, sie tanzten schon zusammen beim Ballett Chemnitz) sind die erfahrenere Variante. Sie umschwirrt ihn kokett auf der Spitze; er zeigt Bilder von Mantua (tatsächlich seine Heimatstadt), wohin er wegen der dummen Sache mit Tybalt fliehen musste, obwohl er doch bei Giulietta in Verona sein muss. Die 3-D-Animation von Lieve Vanderschaeve gönnt letzterer ein ganzes Meer von roten Rosen.

Diese auf den Boden, um den die Zuschauer auf drei Seiten platziert sind, projizierten Bilder entfalten ohnehin eine magische Wirkung. Ein Teppichmuster erscheint plötzlich wie ein elektronischer Schaltkreis, zarte Spitzendeckchen vermischen sich mit verspielten Architekturmotiven, bis die strenge Geometrie der Renaissance dominiert. Bärbel Stenzenberger und Olaf Reinecke (gleich "bo komplex", beide über Vierzig) tanzen das Ende über den virtuellen Gräbern. Es ist das tiefe Vertrauen zueinander, das sie höchst lebendig hinwegträgt über die blutige Auseinandersetzung der verfeindeten Familien. Sehr berührend ist ihr zärtlich stiller Abschied von R&J in die helle Schattenwelt.

Stenzenberger hat allen drei Paaren wunderbar individuelle Pas-de-deux auf den Leib choreographiert. Diverse Love-Storys zitiert die Musik von Philip Roscher; die Verwandtschaft von Hochzeits- und Sterbegewändern zeigen die raffinierten weißen Kostüme von Amélie Sator. "bo komplex", erst seit fünf Jahren in der freien Tanzszene etabliert, beweist mit dieser Produktion seine zu Recht schon mehrfach ausgezeichnete exzellente Qualität.

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