"Das ist dann wohl Kunst?!" Stadtraum als Spielraum - Erinnerung an das Projekt Stadtkunstbonn

Bonn · Die Kunst aktiviert zunehmend Bonn und die Bonner. Die Gesellschaft für Kunst und Gestaltung macht auf die Anfänge aufmerksam - bis zum 12. September.

"Das ist dann wohl Kunst?!": Passanten machen Bekanntschaft mit Aljoschas Wesen auf dem Mittelstreifen des Hochstadenrings.

"Das ist dann wohl Kunst?!": Passanten machen Bekanntschaft mit Aljoschas Wesen auf dem Mittelstreifen des Hochstadenrings.

Foto: Franz Fischer

Kunst kann Augen öffnen. Zum Beispiel, wenn es um einen ziemlich banalen Brunnen wie den vorm Sterntor in der Bonner Innenstadt geht. Wird dieses Wasserspiel als "Beethovens Jugendbrunnen" bezeichnet, wie es Silke Koch mit einer goldfarbenen Plakette tut, erhöht das gleich die Aufmerksamkeit. Die Künstlerin treibt ihr ironisches Spiel mit touristischen Erwartungen und historischen Spuren - und setzt en passant gleich eigene künstlerische Duftmarken, schreibt sich in die Kunstgeschichte der Stadt ein.

Der Stadtraum als Spielraum: Das Projekt Stadtkunstbonn hat von 1998 bis 2005 gezeigt, was auf diesem Feld möglich ist, und wo die Grenzen liegen; neuerdings versucht die Stiftung für Kunst und Kultur e.V. den Stadtraum mit Solitären zu bespielen, auf Markus Lüpertz folgte Tony Cragg; seit Mitte Juni verwandeln Stadtklangkünstler im Rahmen von "bonnhoeren" Bonn in ein akustisches Labor; Ende kommender Woche versucht die ambitionierte Initiative von Gisela Clement und Nicola Weppelmann, der Kunststadt Bonn mit ihren Galerien und Museen einen gemeinsamen Saisonstart zu ermöglichen. Das sind vier Wege, die Stadt und ihre Bürger durch Kunst zu aktivieren.

Stadtkunstbonn war dies mit langem Atem gelungen. Eine Ausstellung in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung erinnert daran. Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag waren nicht nur etliche Stadtkunst-Künstler gekommen, sondern auch Organisatoren und Partner des Projekts, etwa Walfried Pohl vom Deutschen Werkbund, Dieter Ronte, bis 2007 Direktor des städtischen Kunstmuseums, der Stellvertretende Direktor des Hauses, Christoph Schreier, Dorothea Löchte vom ehemaligen Stadtkunst-Team und - natürlich - CDU-Ratsfrau Christiane Overmans, die Initiatorin des Projekts.

Fünf Mal hat Overmans gemeinsam mit Partnern und in Kooperation mit Organisationen, Instituten und Geschäften die Stadtkunstbonn gestemmt. Warum 2005 Schluss war? Arg schwankendes Kunst-Niveau, die immense Belastung für das Organisationsteam, schwierige Mittelbeschaffung, einige unzuverlässige Partner und säumige Zahler nennt Overmans.

Das waren damals die Probleme dieses Projekts mit den vielen Spielorten in der City, vom Friseursalon über die Telefonzelle bis zur Remigiuskirche. Und das wären auch bei einer Neuauflage die Probleme. Davon ist jetzt in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung überhaupt nicht die Rede. Vielmehr erinnern Arbeiten in den Räumen am Hochstadenring an inspirierte Stadtkunst-Momente, während fünf Künstler in der City die Reibung mit der Öffentlichkeit suchen. Aljoschas fragil flatternde weiße Gestalt auf dem Mittelstreifen des vielbefahrenen Hochstadenrings lockte schon am Eröffnungstag Passanten. "Das ist dann wohl Kunst?!", meinte einer.

Silke Kochs Plaketten markieren Stationen eines Beethovenparcours', während Jan Verbeeks blinkende Blau- und Gelblichter auf dem Dach des Parkhauslifts am Friedensplatz die Passanten ergötzen und die Fahrstuhlpassagiere irritieren, die von dem Geblinke auf dem Dach nichts ahnen. 2002 war Verbeek mit dieser Arbeit - an anderem Ort - bei der Stadtkunst vertreten.

Petra Siering hatte 1998 auf Einladung des Kunstmuseums einen weißen Marmorblock in den gläsernen Fahrstuhl des Herold-Hauses an der Rabinstraße gestellt, ihn schwerelos auf und ab fahren lassen. Als Erinnerung steht der Block "Projektion III" nun auf Stahlschienen vor der Remigiuskirche. Asli Sungu zeigt das Video einer sich rücklings zuknöpfenden Dame im Schaufenster von Roswitha Carstensen (Thomas-Mann-Straße 43).

Gerne sähe man auch Horst Raves sehr dynamischen, geometrischen Fries am Aufgang zur Stadthaus-Loggia. 2005 war er dort während der Stadtkunst zu sehen, durfte leider nicht bleiben. In der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung wird daran erinnert. Außerdem an das Glockenprojekt von Benedikt Birckenbach, der schon häufig im Bonner öffentlichen Raum präsent war, oder die blauen Flaschennetze, die Thomas Böing 1998 zu raumgreifenden Gebilden zusammenfügte.

Ulf Aminde lässt im Video einen Punk mit Weinflasche 44 Minuten um ein rechteckiges Lüftungsgitter laufen, bis sich Erschöpfung und alkoholbedingte Konzentrationsschwächen bemerkbar machen und Aminde den armen Probanden aus dem Off zum "Linie halten!" anfeuert. Von Tina Wedel sind eine Handvoll fragiler Stühle aus Karton zu sehen, die Fragen nach der Funktion stellen: 2005 hatte sie 35 solche Exemplare in der Namen-Jesu-Kirche platziert. Silke Koch präsentiert ihr tolles Projekt "Mein Kaiserplatz", Annebarbe Kau spürt den Klängen der Stadt im Kopfstand nach. Augen zu und durch - eine ganz neue Erfahrung.

Stadtkunstbonn 1998 bis 2005

1998 ging die erste "Stadtkunstbonn" über die Bühne: Zwei Wochen lang stellten rund 50 Künstler in 42 Projekten ihre Werke auch an ungewohnten Orten aus. Bis zur letzten Stadtkunst im Jahr 2005 fand insgesamt fünf Mal dieser innerstädtische Kunstreigen statt, der von Christiane Overmans und ihrem Team ehrenamtlich organisiert wurde. Mehrere hundert Bonner Künstler haben sich im Rahmen der Stadtkunst präsentiert, die Resonanz auf dieses Kunstfestival war jeweils sehr groß. Die Gesellschaft für Kunst und Gestaltung erinnert bis 12. September an die Stadtkunst. Mi, Do, Fr 15-18, Sa 14-17, So 11-14 Uhr.

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