Kunstmuseum Bonn Spaß mit großen Geistern

BONN · Kunstmuseum Bonn eröffnet neue Dauerausstellung: Arbeiten von Beuys bis Trockel bieten spannenden Parcours.

 Begegnung mit den "Großen Geistern": Thomas Schüttes Aluminium-Riesen treffen auf Malerei Günter Fruhtrunks.

Begegnung mit den "Großen Geistern": Thomas Schüttes Aluminium-Riesen treffen auf Malerei Günter Fruhtrunks.

Foto: Franz Fischer

Glück gehört zum Museumsalltag offenbar auch dazu. Zum Beispiel in Gestalt eines Anrufs aus Muffendorf mit dem Inhalt, dass in der Wohnung des Onkels vier frühe Baselitz-Bilder hängen, die seit dem Erwerb Mitte der 60er Jahre in keiner Ausstellung zu sehen waren - Georg Baselitz selbst könne sich nur vage daran erinnern, heißt es.

Auf der Münchner Maximilianstraße war das Bonner Ehepaar in der Galerie von Heiner Friedrich auf den damals hoch umstrittenen Künstler gestoßen. Vier Bilder erwarb man. Heute befinden sie sich als Dauerleihgabe der Sammlung Görlich im Kunstmuseum, rahmen die "Hand Gottes" aus eigenem Bestand ein. Ein Clou in der neuen Sammlungspräsentation, die morgen eröffnet wird.

Das vierte Mal schon wirbeln Intendant Stephan Berg und sein Team seit 2008 die Dauerausstellung durcheinander. Jedes Mal ein großer Wurf. Dieses Mal sogar etwas mehr. Denn Berg hat nicht nur hochkarätige Leihgaben ans Haus geholt, etwa die Baselitze aus Muffendorf, neue Arbeiten der Sammlungen Scharpff, KiKo und Mondstudio, außerdem herausragende Stücke aus Bundesbesitz. Spendabel haben sich die Freunde des Kunstmuseums gezeigt.

Und trotz des bescheidenen städtischen Ankaufsetats gelang es, mit allerlei Hilfen Werke zu erwerben. "Große Geister", so der Titel der neuen Präsentation, die von den 23 Künstlerräumen nur einen im alten Zustand (mit einem begehbaren Bild von Franz Ackermann) beließ, versucht, so Berg zweierlei zu erreichen: "Wir sehen uns als Kompetenzzentrum für Malerei. Das zeigen wir", sagt er und räumt Schwächen in der Sammlung ein, was Skulptur, Objekt und Installative Arbeiten angeht. Behoben werden sie etwa durch überall im Ausstellungsbereich und in Seitenräumen gegenwärtige plastische Interventionen von Leni Hoffmann oder Andreas Schmittens Hochglanzpissoir "Requisit in Braun" mit Neon-Aura.

Außerdem zwei Arbeiten der Bildhauerin Isa Genzken - die wunderbar mit Malerei des Ex-Gatten Gerhard Richter korrespondieren. Schließlich ein herausragender Raum mit Rosemarie Trockels abgesägtem schaurigen Ohrensessel, Andreas Slominskis skurril-schönem "Ofen zum Verbrennen von Astgabeln" und Imi Knoebels schrundigem Schlachtenbild. Immer wieder kommt es zu Konfrontationen, die anregen und Spaß machen, entstehen Blickachsen, die umwerfende Korrespondenzen enthüllen.

Gleich der Eingangsraum eröffnet einen Dialog: Der große E.W. Nay wird hier mit einer Stafette von Werken gefeiert, die von den populären Scheibenbildern der 50er über die gleichsam wütende Vernichtung des Scheibensignets hin zu einer Phase führt, in der Nay mit scharfen Kanten, Silhouetten und Leerstellen arbeitet. Von Nay geht eine Linie zu den verblüffend nahen Collagen des Berliners Henning Brohl. Die Sichtachsen aus dem Raum heraus öffnen den Horizont: Hin zu David Reeds eingefroren wirkendem Pinselstrich, dieser delikaten, kostbaren Malerei, hin zur Akkuratesse von Richters Grauabstufungen und hin zu Charline von Heyls Malerei, die mit Bild- und Wirklichkeitsebenen virtuos herumjongliert. 2012 begeisterte die in Bonn aufgewachsene Malerin mit einem Solo im Bonner Kunstverein, jetzt sieht man ihr Werk als Destillat.

Ein Fest der Malerei, nicht mehr und nicht weniger bietet diese Präsentation: Ob es sich um die intellektuell-verspielten Bildspeicher Klaus Merkels handelt, oder um die fein verpixelten Riesenformate Corinne Wasmuhts, die kräftigen, aus dem Depot hergezauberten Penck-Bilder "Lagerblues" und "Verbrannter Honig" - der Besucher wird durch diese breite Malereidebatte förmlich aufgeladen. Der erstklassige Polkeraum und die Spray-Bilder Katharina Grosses schalten sich in die Debatte um ein.

Wie eine Ruhezone wirkt einer der zentralen Räume: Stephan Berg und sein Vize Christoph Schreier haben dort ein sehr konzentriertes Spannungsfeld aus Günter Fruhtrunks Streifenbildern und Palermos schrittweiser Loslösung vom traditionellen Bild erzeugt. In der Mitte Thomas Schüttes ironischer Kommentar zu einem uralten Skulpturthema mit den klobigen "Großen Geistern" aus spiegelndem Aluminium.

Fotografie ist mit Katharina Sieverding, Astrid Klein, Jörg Sasse und Andreas Gursky gut vertreten, Joseph Beuys als großer Katalysator dabei. Sogar einen wunderbaren Träumer hat man mit Stephan Huber ins Haus geholt. Seine wie eine archaische Skulptur anmutenden Berge und die Landkarte "Geografie der Liebe" an der Wand machen Lust auf mehr. Bleibt das lokale Fenster, in das man den Bonner Christoph Loos stellte, und eine Blöße, die nun bedeckt ist: Bonn hat endlich einen Kippenberger, das herrliche Loserbild "8. Platz". Das Kunstmuseum belegt mit "Große Geister" Platz eins.

Kunstmuseum Bonn; Eröffnung Sonntag 11 Uhr. Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr. Neues Faltblatt kostenlos.

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