Neil Youngs neues Album Sentimentale Reise

Neil Young singt auf seinem neuen Album zu Orchester und Bigband.

 Großes Kino: Neil Young überrascht mit neuem Sound. Eine spontane, puristische Herangehensweise hat der Musiker sich auch für sein neues Album bewahrt.

Großes Kino: Neil Young überrascht mit neuem Sound. Eine spontane, puristische Herangehensweise hat der Musiker sich auch für sein neues Album bewahrt.

Foto: EPA

Man kann Neil Young so einiges vorwerfen, unter anderem politische Irrtümer und auch manche schwache Platte. Aber sicher nicht, dass er langweilt oder es sich auf den Lorbeeren des Woodstock-Veteranen und Rock-Erneuerers bequem macht. Jüngstes Beispiel: "Storytone", bereits das zweite Album des legendären Sängers und Gitarristen in diesem Jahr, ist wieder mal ganz anders als der Vorgänger. Und zum Glück auch viel besser.

Denn während das Ende Mai erschienene "A Letter Home" in einer winzigen Aufnahmezelle aus den 1940er Jahren aufgenommen wurde und genau so klang, ist "Storytone" auch für Young-Verhältnisse großes Kino. Abwechselnd für ein riesiges Orchester oder im bläsersatten Bigband-Stil arrangiert, geben sich die zehn neuen Lieder des 68-jährigen Kanadiers hemmungslos der Sentimentalität und der Nostalgie hin.

Je nach Zählweise ist "Storytone" Youngs 35. bis 40. Album seit dem Solo-Debüt von 1969. Und es dürfte mit seinem opulenten Sound-Design eines der ungewöhnlichsten und auch lieblichsten dieser kurvenreichen Karriere sein. Der Mann mit der - diesmal überraschend festen - Fistelstimme singt also gefühlvolle, gelegentlich kitschnahe Balladen zu üppiger Streicher-Begleitung. Young regt sich darin über die US-Umweltpolitik auf (etwa im dramatischen Anti-Fracking-Song "Who's Gonna Stand Up?" mit der Antwort: "This all starts with You and me"). Oder er sinniert über das Kommen und Gehen von Liebe und Illusionen ("All Those Dreams"). Der Hintergrund dafür mag die noch frische Trennung von seiner Ehefrau Pegi nach mehr als drei Jahrzehnten sein.

Die Zusammenarbeit mit einem 90-köpfigen Orchester ist nicht neu für Neil Young - schon für sein Durchbruch-Album "Harvest" (1972) mit dem Welthit "Heart Of Gold" mietete er sich das London Symphony Orchestra. "Storytone" nahm er nun großenteils in den Sony-Studios von Los Angeles auf, mit Orchester- und Chor-Arrangements des Deutschen Chris Walden.

Eine spontane, puristische Herangehensweise hat sich Young auch für dieses Album bewahrt, denn es klingt trotz all seiner sinfonischen Klangfülle nicht überproduziert. Sehr direkt und urwüchsig wirken zwischendurch die drei Bigband-Stücke auf der Basis von Südstaaten-Soul und Blues (besonders mitreißend: "Say Hello To Chicago"). Dass er in "I Want To Drive My Car" über ungebrochene Autobegeisterung singt, steht übrigens nicht unbedingt im Widerspruch zum jahrelangen Öko-Engagement - seine Lieblings-Straßenkreuzer wurden nachträglich mit umweltschonenden Biosprit-Hybridmotoren ausgerüstet. Auch darin bleibt Neil Young ein liebenswert-kauziger Individualist.

i Das Album "Storytone" von Neil Young erscheint an diesem Freitag über Reprise Warner in mehreren Versionen: CD, Deluxe-Doppel-CD (zusätzlich mit allen zehn Songs in Solo-Fassungen) und als Doppel-Vinyl.

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