Mitch Ryder in der Endenicher Harmonie Schrei nach Liebe

"Kotzbrocken!" dachten wahrscheinlich nicht wenige, die Mitch Ryder 1979 beim Rockpalast erlebten, als er sturzbetrunken und sardonisch lächelnd die Zuhörer für ihren guten Geschmack beklatschte. Ein vergiftetes Lächeln.

Auch heute, kurz vor seinem 70. Geburtstag, eine schwere Grippe im Körper, kann er sich eine ironische Breitseite nicht verkneifen, als er harmlos plaudernd erzählt, dass er sein Publikum sehr wohl beobachte. Ihm sei dieses wunderschöne Mädchen aufgefallen. "Es muss deine Tochter sein", wendet er sich an den Mann neben ihr. "Oh, es ist deine Frau. Du musst viel Geld haben!" Gelächter.

Und dann dieser wunderbare Schluss eines rauschenden Konzerts. Lange Zeit wirkt Jims Morrisons "Soul Kitchen" so harmlos wie ein Schlaflied. Eine mit den Jahren dunkler gewordene, aber zartschmelzende Stimme umhüllt den Zuhörer, bis ein erschütternder Schrei jeden in der voll besetzten Harmonie gefrieren lässt. "Let me sleep all night in your soul kitchen", schreit der untersetzte Mann mit der eruptiven Wucht eines Vulkans. Wie kaputt muss man sein, wenn man so nach Liebe und Wärme schreit.

Es gab nur einen in der Rockgeschichte, der ähnlich entfesselt nach Hilfe schreien konnte wie Mitch Ryder: Joe Cocker. Cocker konnte mit fremden Kompositionen den Massengeschmack erobern. Dem wenig zähmbaren Mitch Ryder gelang der Anschluss an ein breites Publikum nicht.

In seinen Konzerten wird man mit kraftvollen Momenten belohnt, die einem Erdbeben gleichen und in ihren sanften Momenten einen altersweisen, aber nicht altersmilden Mann zeigen, der um die Schuld seines Tuns weiß. Dass er seine Band als den heimlichen Star des Abends hervorhebt, ist eine schöne und allzu berechtigte Geste. Ohne ihr präzises und leidenschaftliches Spiel könnte er dieses flammende Inferno nicht entzünden. Bis zum 21. Februar 2016 in der Harmonie!

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