"Hüter der Tundra" in der Brotfabrik Sascha gibt nicht auf

BONN · Mit dem deutschlandweiten Kinostart seiner Dokumentation "Die Hüter der Tundra" endet für Regisseur René Harder, Professor für Schauspiel an der Alanus Hochschule in Alfter, ein zeitaufwendiges Projekt.

 Am Rentier hängt's: Für die Menschen in Krasnotschelje sind Rentiere eine überlebensnotwendige Einnahmequelle.

Am Rentier hängt's: Für die Menschen in Krasnotschelje sind Rentiere eine überlebensnotwendige Einnahmequelle.

Foto: W-Film

Seit 2006 fuhr er regelmäßig in das russische 500-Seelen-Dorf Krasnotschelje auf der Kola-Halbinsel nördlich des Polarkreises - der einzige Ort in Europa, der noch vollständig von der traditionellen Rentierzucht lebt.

Begonnen, so Harder, habe alles mit beinahe märchenhaften Landschaftsaufnahmen der Region: "Das ist so eine faszinierende Welt dort, und wir wissen nichts darüber. Dabei ist das geografisch gesehen nicht weiter weg als Gibraltar." Sechs Jahre lang begleitete das Filmteam die Einwohner; das war nicht immer leicht. Die in Krasnotschelje lebenden Sami sind ein nordisches, indigenes Volk, die zwar Auto fahren und Funktionskleidung tragen - die kulturellen Unterschiede jedoch sind deutlich spürbar. "Wir hatten ein norwegisches Team, unser Kameramann war selbst Sami", erzählt Regisseur Harder, "und ich spreche russisch. Das hat die Kommunikation natürlich erleichtert."

Dennoch sei das Filmteam immer wieder mit Schwierigkeiten konfrontiert gewesen: Die kulturell bedingte Bescheidenheit machte es schwer, Einzelschicksale hervorzuheben, und zwei der vorgesehenen Protagonisten des Films starben bei einem Bootsunfall. Die nun porträtierte Sascha und ihre Familie waren also ein Glücksfall. Zudem beschäftigt sich die junge Mutter gerade mit jener Problematik, die für das 21. Jahrhundert geradezu typisch ist: Internationale Rohstoffkonzerne haben die Weidegründe in der Tundra im Visier, Entschädigungen für die Sami sind nicht geplant. Die resolute Sascha zieht in den Kampf um den Erhalt ihres Heimatdorfes, das ohne die Rentiere als Einnahmequelle nicht weiter bestehen kann.

"Ich drehe gerne Filme am Rand der Zivilisation", erklärt Harder. Jeder Zuschauer müsse sich die Frage stellen, ob die Moderne eher einer Versuchung oder einer Gefahr gleichkomme. Angesichts der aktuellen Blockbildung, so Harder, habe er den Wunsch, dass Russland nicht immer gleich mit den Interessen Putins gleichgesetzt wird. "Die Menschen in Krasnotschelje interessieren sich überhaupt nicht für Putins Politik."

Die Dokumentation, die ihre Premiere auf dem Filmfestival Locarno 2013 hatte, hat neben der unaufdringlich bebilderten Geschichte des Dorfes natürlich vor allem eines zu bieten: Impressionen von wilden Rentierherden inmitten einer archaischen Landschaft, spektakuläre Sonnenauf- und -untergänge sowie einsame Hirten am Lagerfeuer. Und das alles von einer derartigen Schönheit, dass man Saschas Beweggründe für ihr Engagement einmal mehr nachvollziehen kann.

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