Pollini in Kölner Philharmonie Romantik pur

Köln · Den Programmheften der Philharmonie ist seit Neuestem ein Knigge-Faltblatt beigefügt, "der gute Ton" überschrieben. Er enthält unter anderem die Bitte, sich den rechten Zeitpunkt für einen Applaus notfalls bei der Majorität des Publikums abzugucken.

Beim (fast hustenfreien) Konzert Maurizio Pollinis gab es nur ein etwas verfrühtes Reagieren nach Robert Schumanns zu Beginn gebotener Arabeske opus 18. Hier allerdings hätte der "gute Ton" durchaus greifen dürfen. Warum kann man einen Piano-Schlussakkord nicht geduldig, nachsinnend ausklingen lassen?

Unbehelligt ging immerhin Frédéric Chopins zugegebenes Nocturne Des-Dur opus 27,2 zu Ende. Hier freilich zauberte der Pianist so viel überirdisch Klangvolles in den Riesenraum der Philharmonie, dass der Atem förmlich stille stand. Bei der "Revolutions"-Etüde teilte er hingegen pianistische Prankenhiebe aus, welche bei dem immerhin über Siebzigjährigen denn doch in Erstaunen setzten. Solche Kontrastwirkung hatte Pollini bereits bei den 24 Préludes demonstriert.

Das Kölner Programm: Romantik pur, aber keine der lediglich sanften Art. In den "Kreisleriana"-Fantasien spuken erkennbar Florestan und Eusebius, die nahezu einstündige Abfolge der Chopin-Préludes enthält "Traumeswirren" zuhauf. Schumanns Diktum über die h-Moll-Sonate Chopins - "Musik ist das keine" - könnte teilweise auch für die Préludes gelten, wo melodisch-harmonische Süße mehrfach dissonant-nahen Eruptionen weicht.

Maurizio Pollini ist immer wieder (und durchaus nicht ohne negativen Unterton) eine Versachlichung romantischen Überschwangs nachgesagt worden. Für seine der Schwülstigkeit gänzlich abholde Rubato-Technik trifft das sicherlich zu, aber deswegen geht das Moment der Empfindsamkeit nicht verloren. Und ein gewisses Maß an "Parfüm" als Ergänzung von Tiefgründigkeit hat der Pianist in einem Interview sogar vehement verteidigt.

Auch bei Robert Schumann frappierte Pollinis großformatige, warm getönte Anschlagstechnik, die sich einer Hilfe durch Pedale kaum versichern musste. Auffällig freilich war seine Neigung, Finalakkorde in Pedalnebel verhallen zu lassen. Bei Chopin nirgends ein Abdriften in Nippes-Zierlichkeit, immer der Nachdruck maskuliner Kontur.

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