Kanadische Autorin Madeleine Thien Poesie und Barbarei

Am 17. April 1975 zogen die Roten Khmer in Phnom Penh ein, und zwar mit einem Versprechen. Die maoistisch-nationalistische Guerilla-Bewegung und ihr Führer Pol Pot versprachen den Menschen in Kambodscha eine "neue Gesellschaftsordnung". Sie sollte sich in der Einführung eines Agrarkommunismus ausdrücken.

 Madeleine Thien liest bei der GIZ in Bonn.

Madeleine Thien liest bei der GIZ in Bonn.

Foto: Carolin Seeliger

Die Vision fand ihren perversen Höhepunkt in der systematischen Ermordung von geschätzt zwei Millionen Kambodschanern innerhalb von vier Jahren. "Noch heute fällt es vielen Kambodschanern schwer, über diese traumatische Periode zu sprechen", hat die Kritikerin Claudia Kramatschek in der Neuen Zürcher Zeitung festgestellt.

Die Autorin Madeleine Thien, 1974 als Tochter chinesisch-malayischer Eltern in Kanada geboren, nähert sich dem Thema Barbarei im Namen einer Ideologie mit den Mitteln der Poesie. Ihr meisterhafter Roman "Dogs At The Perimeter" (deutsch: "Flüchtige Seelen") illustriert, wie staatlich sanktionierter Terror wirkt, der zum Ziel hat, menschliche Identitäten auszulöschen und neu zu programmieren. Die Autorin verfolgt und verknüpft die Lebenslinien mehrerer Figuren, bewegt sich zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Kanada und Kambodscha, untersucht Erinnerungs- und Verdrängungsmechanismen. Das alles in einer Sprache, die historische Details und Ausformungen menschlicher Barbarei anschaulich spiegelt und gleichzeitig auf hochpoetische Weise Seelenlandschaften ausmalt.

Madeleine Thien wird am Donnerstag, 22. Januar, in der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bonn zu Gast sein. Sie wird aus ihrem Roman lesen und gewiss auch erklären, warum sie sich als Kanadierin intensiv mit Kambodscha auseinandersetzt. "Ich fühlte mich nicht im Recht, über Kambodscha zu schreiben", hat sie in einem Interview erklärt. Aber sie habe sich dem Thema ihres Buches zugewandt, weil sie fasziniert war von Menschen, die gezwungen sind, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen, eine neue Identität zu gewinnen, sich gewissermaßen selbst neu zu erfinden.

Madeleine Thien: Flüchtige Seelen. Luchterhand, 253 S., 19,99 Euro. Lesung in der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) am Donnerstag, 22. Januar, 18 Uhr, Friedrich-Ebert-Allee 40, 53 113 Bonn. Die von GA-Redakteur Dietmar Kanthak moderierte Lesung findet in englischer Sprache statt. Anmeldung: E-Mail an isabel.koch@giz.de

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