Kulturgutschutzgesetz im Kabinett verabschiedet Kunstmarkt befürchtet "Enteignung"

Das gestern im Kabinett verabschiedete Kulturgutschutzgesetz sorgt insbesondere im Kunstmarkt noch immer für Aufregung, die Nerven liegen blank.

 Diese Blätter von August Macke, einst Dauerleihgaben im Kunstmuseum Bonn, werden nun bei Lempertz in Köln versteigert: links "Spaziergänger unter Bäumen", rechts "Elisabeth Obst schälend".

Diese Blätter von August Macke, einst Dauerleihgaben im Kunstmuseum Bonn, werden nun bei Lempertz in Köln versteigert: links "Spaziergänger unter Bäumen", rechts "Elisabeth Obst schälend".

Foto: Lempertz

Der Kölner Auktionator Henrik Hanstein vom Kunsthaus Lempertz hat gegenüber dieser Zeitung die anstehende Versteigerung von fünf Werken August Mackes mit Furcht vor dem Gesetz in Verbindung gebracht, das jetzt in den parlamentarischen Kreislauf geschickt wird. Die Verabschiedung im Plenum ist für kommendes Frühjahr geplant. Hanstein bezog sich bei seinem Einwand auf die Erben, die die Arbeiten als Museums-Dauerleihgaben zurückgezogen hätten, um sie versteigern zu lassen. Viele Sammler, Erben und auch Künstler überlegten, ihre Sammlungen ins Ausland zu bringen, vor allem in die Benelux-Länder, meinte Hanstein, er wisse von Werken im Gesamtwert von mehr als 100 Millionen Euro.

Volker Adolphs, Macke-Experte am Kunstmuseum Bonn, das zwei Blätter des Malers verliert, die in diesem Monat in Köln versteigert werden, hält die Aufregung für übertrieben. "Für Bonn müssen wir nicht befürchten, dass hier eine Bewegung entsteht, um das Gesetz zu unterlaufen", sagte er. Gleichwohl bedauert der Kunsthistoriker insbesondere den Verlust der Kohlezeichnung mit den "Spaziergängern unter Bäumen", ein hervorragendes Blatt, eine "eigenständige autonome Zeichnung" (Adolphs), die, so erwartet Hanstein, zwischen 150.000 und 200.000 Euro bringen könnte.

Das zweite, weniger bedeutende Blatt, "Elisabeth Obst schälend", wird vom Auktionshaus Lempertz auf 30 000 bis 35 000 Euro geschätzt. "Es ist kein ungewöhnlicher Fall", sagt Adolphs, es komme selten, aber immer wieder vor, dass Dauerleihverträge gekündigt werden, es sei bedauerlich, aber nicht dramatisch. Es gebe Zuwächse und Verluste für die Sammlung. Über die Motive der Eigentümer der Blätter, diese zu verkaufen, will Adophs nicht weiter spekulieren, ihm hätten sie familiäre Gründe genannt. Laut seiner Meinung fallen beide Blätter ohnehin nicht unter das Kulturgutschutzgesetz.

"Mit der Novellierung des Kulturgutschutzes setzen wir eines der wichtigsten kulturpolitischen Vorhaben dieser Legislaturperiode um", erklärte Grütters gestern. Der Deutsche Kulturrat begrüßte den Beschluss. Der Entwurf zeige, dass Grütters in den vergangenen Monaten sehr genau zugehört habe. Grütters betonte, sie stehe in der Verantwortung, das kulturelle Erbe zu schützen - "so, wie es alle Länder weltweit tun und wie es auch das Grundgesetz will und fordert". Bei Künstlern, Sammlern und Galeristen war der Entwurf auf teils heftige Kritik gestoßen. Sie fürchten Handelshemmnisse, einige sprachen gar von "Enteignung".

Das sind die Eckpunkte des neuen Kulturgutschutzgesetzes: Das Gesetz soll den grenzüberschreitenden Handel mit Kunst- und Kulturgütern klarer regeln und für mehr Sorgfaltspflicht beim Erwerb und Verkauf von Kunstgegenständen sorgen. Hintergrund sind der gestiegene Handel mit geraubten Kunstschätzen aus dem Nahen Osten und die schwierige und seltene Rückgabe solcher Kulturgüter. Deutschland muss eine EU-Richtlinie zur Kulturgüterrückgabe in nationales Recht umzusetzen.

Das im Kabinett verabschiedete Gesetz ist eine Novelle des seit 1955 existierenden Kulturschutzgesetzes, das regelt, was national wertvoller Kulturbesitz ist, der in Deutschland verbleiben soll. Nun geht es auch um die Einfuhr von Kunstwerken. Die benötigen, so Grütters Gesetz, einen eindeutigen Herkunftsnachweis bei der Einfuhr, etwa die Ausfuhrgenehmigung des Herkunftsstaates. Damit will man verhindern, dass Raubkunst in den Handel gerät.

Was in Deutschland als national wertvolles Kulturgut eingestuft und geschützt wird, soll künftig per Rechtsverordnung durch ein Gremium festgeschrieben werden. Die fünf Sachverständigen der verschiedenen Bereiche sollen für fünf Jahre berufen werden. Werke zeitgenössischer Künstler können nur mit deren Zustimmung als national wertvoll eingetragen werden. Zudem sollen öffentliche Sammlungen als Ganzes unter Schutz gestellt werden.

Neu ist auch eine Ausfuhrgenehmigung für hochwertige ältere Kulturgüter sowie archäologische Gegenstände innerhalb der Europäischen Union. Das soll etwa bei Gemälden für solche gelten, die älter als 70 Jahre sind und mehr als 300.000 Euro kosten. Leihgaben sollen laut Entwurf nur unter "jederzeit widerrufbarer Zustimmung" des Leihgebers vorübergehend als nationales Kulturgut eingestuft werden. ga/dpa/kna

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