"Der serbische Anwalt - Verteidige das Unfassbare!" Kühle Logik und ihre Nebenwirkungen

Wie kann er das nur tun, wird Marko Sladojevic in Aleksander Nikolic' Dokumentarfilm "Der serbische Anwalt" immer wieder gefragt. Ein "Tier", einen "Massenmörder" vor Gericht vertreten? Die Beschreibung gilt dem ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic, dem das UN-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag seit 2009 den Prozess macht. Der serbische Jurist Marko Sladojevic arbeitet als Rechtsbeistand für Karadzic.

 Im Gerichtssaal in Den Haag: Radovan Karadzic und sein Verteidiger Marko Sladojevic am 16. Oktober 2012.

Im Gerichtssaal in Den Haag: Radovan Karadzic und sein Verteidiger Marko Sladojevic am 16. Oktober 2012.

Foto: DPA

Dabei hat er als Junge Anfang der neunziger Jahre den Zerfall Jugoslawiens, Bürgerkrieg und alltägliche Gräuel miterlebt. Sladojevic war ein Kritiker des inzwischen gestorbenen ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic und seines Regimes. Milosevic, den Sladojevic auch juristisch beraten hat, sowie Radovan Karadzic und Armeechef Ratko Mladic machte das UN-Kriegsverbrechertribunal "ethnische Säuberungen" in den von Serben beanspruchten Teilen Bosniens zum Vorwurf.

Karadzics Verantwortung für die Hinrichtung von rund 8000 muslimischen Jungen und Männern im Juli 1995 in Srebenica ist zentraler Bestandteil der Anklage wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 2009 begann der Prozess gegen Karadzic in Den Haag, das Urteil wird in diesem Monat erwartet. Karadzic, der sich selbst vor Gericht verteidigte, hat stets alle Vorwürfe bestritten.

Vor der Kamera erscheint Sladojevic, der 1999 seine Heimat verließ und ab 2000 im niederländischen Leiden Jura studierte, als nachdenklicher, sensibler und beredter Mann. Karadzic sei "ein ganz normaler Typ", sagt er in einem Radio-Interview. Vor Gericht gehe es um Schuld oder Unschuld, um Fakten vor allem und um Recht und Verfassung.

Ein Prozess sei keine Glaubenssache. Die Kamera nimmt den serbischen Anwalt im verständnisvollen Dialog mit den Schwiegereltern und im Streitgespräch mit einem Freund auf. Sladojevic beharrt auf der kühlen Logik des Juristen, der sich durch "Propaganda und Tricks" nicht irritieren lassen dürfe. Der große, spektakuläre Prozess, das wird deutlich, schmeichelt seiner Eitelkeit. Aber immer wieder nimmt die Kamera nervöse Gesten auf, die nahelegen, dass er an seiner Mission zweifeln könnte.

Der spannende, aufklärerische Film, der den historischen Hintergrund mit grausamen Bildern vom Krieg und Super-8-Material aus Markos friedlicher Kindheit rekonstruiert, bildet unterschiedliche Positionen ab. Er belegt am Beispiel der Massaker auf dem Sarajevoer Altstadtmarkt Markale, wie schwierig die juristische Aufarbeitung eines Krieges selbst bei vergleichsweise guter Quellenlage ist. Sladojevic diskutiert mit Ballistik-Experten gruselige Details. Angehörige von Opfern kommen in hochemotionalen Szenen zu Wort. Der Anwalt reist von Ort zu Ort, er musste sich mit insgesamt rund 600 Zeugen und 11 500 Beweisstücken beschäftigen. Um am Ende einzuräumen: "Je mehr ich weiß, desto weniger verstehe ich."

Die Arbeit, die tägliche Konfrontation mit den Folgen exzessiver Gewalt hat ihn verändert. So etwas, sagt er, "tötet deine Gefühle". Sladojevic will ein Buch über den Bosnienkrieg schreiben, um so vielleicht zur Wahrheit vorzudringen. Rex

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