Bonner Beethovenhalle Konstantin Wecker - Ein Kilo Mondamin

BONN · Eigentlich brauchte es nur einen Flügel und diesen grauhaarigen Mann auf der leeren Bühne, und der Abend in der fast ausverkauften Beethovenhalle konnte zum Ereignis werden.

 Er empört sich immer noch: Konstantin Wecker, Foto 2012.

Er empört sich immer noch: Konstantin Wecker, Foto 2012.

Foto: dpa

Nichts gegen Konstantin Weckers hervorragende Drei-Mann-Band. Aber als der Münchener Barde anfangs mutterseelenallein sein "Gestern habns an Willy begrabn" anstimmte, mit dem unnachahmlichen Wecker-Timbre, mit den rasanten Pianoakkorden, mit den politisch klaren, aber eben auch poetischen Wortkaskaden, da flirrte die Luft.

"Wir sind Teil dieser monströsen Gesellschaft, mit ihren Kriegen, ihrer Brutalität und Gier", donnerte Wecker unbeirrt auch nach 40 Karrierejahren ins Parkett. "Jetzt werdns wieder sagen: Schauts ihn an, den Moralisten, den Wecker. Aber du bist meine Zeuge, Willy, ich hasse die Moral. Immer wenn moralischer Eifer im Spiel ist, fängt man an, sich die Köpfe einzuschlagen", kam als Ode an den von Nazis totgeschlagenen Willy hinterher. Luftholen in der Halle, dann riesiger Applaus. Und ab da konnte es losgehen mit einer entfesselten Berg-und-Talfahrt durch vier Jahrzehnte Wecker-"Wahnsinn".

Wenn der durchaus selbstironische Maestro auch irgendwann mal zugab, dass sein Willy eigentlich Fiktion war. Der Freund stünde in der Pause putzmunter am CD-Verkaufsstand. Das hellauf begeisterte Publikum fraß seinem Poeten der "Wut und Zärtlichkeit" bis fast Mitternacht aus der Hand. Gekonnt zog Wecker den Bogen von seinen sadopoetischen Anfängen im Kölner Senftöpfchen ("Wir waren zu viert auf der Bühne, im Publikum saßen zwei") über die Kampfphase ("Da schrieben mir Macho Feministinnen wütende Briefe") zum 68er-Engagement. Jubeln im Publikum, als er mit unverminderter Wucht alle seine Hymnen von der Bühne prasseln ließ, die damals Freiheit und aufrechten Gang bedeuteten. Und als der bekennende Ex-Junkie ein "Kilo Heroin" auf "ein Kilo Mondamin" reimte.

Das Erstaunliche war: Wecker, der Tausendsassa, präsentierte all das so unverwelkt und frisch, dass es plötzlich auch im Heute taugte. Wenngleich es schon seltsam anmutete, dass ein ganzer Saal hauptsächlich Grauhaariger die Refrains von damals, "Empört Euch" und "Misch dich ein, sage nein", begeistert beklatschte. Ob das Gros auch die aktuelle Wecker-Botschaft nach dem Konzertbesuch unterschreiben würde?

"Ja, ich hab einen Traum: Es ist eine grenzenlose Welt, in der ich leben will", nämlich eine, in der das reiche Europa wirklich alle Grenzen öffnet? Wecker, der auch einem Bonner Talent, der "Röhre" Cynthia Nickschas, eine Chance gab, schwitzte, arbeitete wie ein Berserker, ging selbst runter in die Reihen zu seinen Fans. Um dann immer wieder auch sein hohes Lied der Liebe zu singen. Und dessen Refrains dürften auch nach 24 Uhr, nach stehenden Ovationen und unzähligen Zugaben noch lange nachklingen. Perlende Verse wie "Es duftet nach Akazien und dein Lächeln duftet auch."

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