Beethovenfest Klangfülle der Kontrabässe

Bonn · Umjubelter Auftakt von Andris Nelsons' Bonner Beethoven-Sinfonien-Zyklus mit seinem Orchester aus Birmingham.

In Bayreuth kann man Richard Wagners "Ring des Nibelungen" an vier aufeinander folgenden Abenden erleben, in Bonn sind es derzeit die Sinfonien Beethovens, für die man sich ebenso viele Abende frei halten muss. Beides hat Ereignischarakter. Das haben beim Beethovenfest zuletzt vor zwei Jahren Esa Pekka Salonen und das Philharmonia Orchestra aus London mit ihrem kompletten Zyklus gezeigt. Und auch beim City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO), das in diesem Jahr unter Leitung von Andris Nelsons diese Herkules-Aufgabe auf sich nimmt, ist diese besondere Spannung zu spüren.

Nelsons hat sich dafür entschieden, Beethovens Sinfonien chronologisch und pur zu dirigieren, also weder Ergänzungen durch Ouvertüren oder Solokonzerte, noch durch Musik anderer Komponisten. Sicher eine Haltung des respektvollen Umgangs mit dem Werk Beethovens, die auch in der Interpretation zu spüren war. Die ersten beiden Sinfonien, die am Sonntagabend in der fast ausverkauften Beethovenhalle in der ersten Programmhälfte gespielt wurden, strahlten Leichtigkeit und Noblesse aus. Wo Dirigenten wie Paavo Järvi oder Riccardo Chailly rasche Tempi, kraftvolle Akzente und eine zerklüftete Dynamik bevorzugen, um auf diese Weise Beethoven als Kämpfer und Revolutionär ins Blickfeld rücken, klingt das Sinfonie-Debüt des Komponisten unter Nelsons' Leitung ausgesprochen luftig und vergleichsweise entspannt. Und das trotz der großen Besetzung, mit der das Orchester schon in den frühen Werken antritt. Das heißt nicht, dass der 35-jährige Dirigent grundsätzlich keine schnellen Tempi mag. Das Menuetto der ersten Sinfonie hatte nicht nur in dieser Beziehung Biss. In der zweiten Sinfonie setzte sich die traditionelle Herangehensweise fort. Herausragend war hier der mit großer instrumentaler Delikatesse vorgetragene langsame Satz. Aber auch der Humor des Scherzos wurde sehr hübsch herausgekitzelt.

Die Großbesetzung des Orchesters kam freilich in der dritten Sinfonie, der "Eroica", ganz besonders wirkungsvoll zum Tragen. Der Schwung, mit dem das Orchester den ersten Satz spielte, war schlichtweg hinreißend. Der mächtige Klang, der von den Kontrabassmotiven ausgehend im Trauermarschbeginn den Saal füllte, ging unter die Haut. Überhaupt gestaltete Nelsons diesen Satz mit unerhörter Intensität, wobei die Musiker ihn in jedem Takt unterstützten. Ein herrliches Oboensolo war da zu hören, aber auch ergreifende Streicherpassagen. Nelsons ist mit jeder Faser seines Seins bei der Sache, beteiligt den ganzen Körper, um seinen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen, lässt mitunter die Arme fallen, um sie dann ein paar Takte später beim nächsten Forte explosionsartig in die Höhe zu reißen. Im Ergebnis erlebt man einen großen sinfonischen Atem. Dafür erhob sich das dankbare Publikum am Ende von seinen Stühlen.

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