Konzert in der Beethovenhalle Jugendliche Begeisterung für den alten Bach

BONN · Schon 1829 ist die Begeisterung groß. "Die Tatsache, dass die Verkörperung der verschiedenen Personen des Evangeliums durch verschiedene Stimmen das Herzstück des Werkes bildet, versetzte uns in tiefes Erstaunen", schreibt der Sänger Eduard Devrient, der die Rolle Jesu übernimmt, als Felix Mendelssohn-Bartholdy die Matthäus-Passion in Berlin aus der unverdienten Versenkung wieder ans Licht hebt.

 Überzeugend: Katharina Magiera, Alt.

Überzeugend: Katharina Magiera, Alt.

Foto: Privat

Heute gilt dieses gewaltige Werk des großen Bach als eines der wichtigsten der abendländischen Musikgeschichte. Der im vergangenen Jahr gestorbene Schriftsteller Paul Barz erhob Bach ob dieses Werkes in den Rang eines "fünften Evangelisten". Wie recht er damit hatte, zeigte die Aufführung der Passion durch den Philharmonischen Chor und das Beethoven Orchester in der Beethovenhalle.

"Wir setzen uns mit Tränen nieder und rufen dir im Grabe zu: Rufe sanft, sanfte Ruh!" Bedächtig und doch mit angenehm zügigem Tempo schloss der Chor das Werk und schlug damit den Bogen zum beginnenden ersten Chor: "Kommt, ihr Töchter, helft uns klagen", das akzentuiert und fast schwebend erklang. Dank der Einstudierung von Thomas Neuhoff, war der gewaltige Chor von rund 150 Sängern der Aufgabe mehr als gewachsen.

Das kommende Erdbeben nach der Kreuzigung wurde dramatisch schon im ersten Teil mit "Sind Blitze, sind Donner" vorweggenommen. Das mag auch daran liegen, dass man mit dem Wiener Friedemann Layer einen "gelernten" Operndirigenten als Gesamtleiter der Aufführung gefunden hatte. Aber auch die kommentierenden Choräle gelangen füllig wie auch filigran. Mit dem mal opulent, mal kammermusikalisch, ja solistisch aufspielenden Beethoven Orchester tappte er auf jeden Fall nicht in eine selbstgestellte Historismus-Falle. Denn wie Bachs Musik zu seinen Lebzeiten erklungen war, lässt sich bestenfalls über Umwege annähernd rekonstruieren.

Eine tragende Rolle als Evangelist war Benjamin Bruns anvertraut, der mit warm-lyrischer Stimme, die sowohl wendig wie auch strahlkräftig sein konnte, die Geschichte erzählte. Ihm zur Seite stand Tommi Halkala, der in der Rolle des Jesus deutlich machte, das auch heute noch viele der besten Stimmen des tiefen Gesangsfachs aus Finnland kommen.

Mit dem Solisten-Quartett Rosemary Joshua (Sopran), Katharina Magiera (Alt), Jussi Myllys (Tenor) und Steven Humes (Bass) waren Sänger gefunden, die in den Solopartien und besonders auch in den Ensemble-Nummern mit den Chor zu überzeugen verstanden; etwa in "So ist mein Jesus nun gefangen", worin sich Sopran und Alt umschmeicheln - unterbrochen von den harschen Einwürfen des Chores. Besonders erfreulich und lobenswert war, dass in einem extra für diese Aufführung zusammengerufenen Schülerprojektchor rund 30 Jugendliche an dieser ausverkauften Vorstellung nicht nur mitwirken, sondern gänzlich überzeugen konnten: jugendliche Begeisterung für den alten Bach.

Woran aber lag es, dass tief bewegende Stücke wie "Ich will bei meinem Jesu wachen" oder "Erbarme dich mein Gott" trotz hervorragender musikalischer Leistung der Beteiligten seltsam blass wirkten? Dass die gesamte Aufführung etwas unterkühlt erschien? Dass der Funke dieses Meisterwerks nicht so recht überspringen wollte? Lag es an den knapp bemessenen Pausen zwischen den Nummern, die das eben Gehörte nicht nachklingen ließen?

Oder vielleicht am Raum, der die Weiten einer großen Kirche vermissen ließ? Die beiden Orchester und die beiden Chöre waren auf der Bühne zwar deutlich zuzuordnen, aber die von Bach mitkomponierte Räumlichkeit war so nicht zu erreichen. Die musikalisch vielschichtig beschriebene Leidensgeschichte eines Unschuldigen bis in seinen qualvollen Tod blieb aus.

Die Matthäus-Passion ist zwar eines der größten musikalischen Werke, aber sie ist auch zugleich eines der tiefsten christlichen Bekenntniswerke. Vielleicht ist Letzteres ein wenig in den Hintergrund getreten. Zwischen den beiden Teilen stand am Höhepunkt der Fastenzeit in evangelischer Tradition oft die Predigt. Die wurde in der Pause - gewohnt ansprechend natürlich - durch Sekt, Suppe und Würstchen ersetzt. Letztlich bleibt also alles der Empfindung des einzelnen Zuhörers überlassen.

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