Kammermusiksaal in Bonn Jean-Guihen Queyras spielte auf Beethovens Cello

BONN · Das Violoncello fest zwischen die Knie geklemmt, sitzt Jean-Guihen Queyras im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses, um gleich den zarten solistischen Beginn aus Ludwig van Beethovens Sonate für Pianoforte und Violoncello op. 102 Nr. 1 in C-Dur zu intonieren.

 Der Cellist Jean-Guihen Queyras und der Pianist Alexander Melnikov im Beethoven-Haus.

Der Cellist Jean-Guihen Queyras und der Pianist Alexander Melnikov im Beethoven-Haus.

Foto: Barbara Frommann

Der hier fehlende Stachel, mit dem die Cellisten sonst ihr Instrument abzustützen pflegen, ist ein sicheres Indiz dafür, dass an diesem Sonntagabend ein historisches Violoncello zum Einsatz kommen wird, eines, das nicht im Laufe seiner Geschichte technisch aufgerüstet wurde, um in Konzerten gegen moderne Steinway-Flügel oder ganze Orchester klanglich bestehen zu können.

Aber noch etwas macht die Situation im Kammermusiksaal besonders: Queyras balanciert ein originales Instrument aus Beethovens Besitz. Es wurde zum Auftakt der diesjährigen Beethoven-Woche der klingende Protagonist in Beethovens späten Cellosonaten.

Queyras, der Beethovens Cello schon vorher ausprobieren konnte, schätzt dessen kammermusikalische Eignung besonders. Der leise, kantable Beginn klingt auf dem mit Darmsaiten bespannten Instrument überaus zart. Das Cello, bei dem es sich um eine Leihgabe aus privatem Besitz handelt, verfügt eben nicht über einen sehr großen Ton.

Damit weiß Queyras aber gut umzugehen. Für besonders intensive Ausdruckssphären braucht er nicht zwingend eine große Lautstärke. Hilfreich ist es freilich, dass sein fabelhafter Klavierpartner Alexander Melnikov auf einer Kopie eines originalen, zart und silbrig klingenden Graf-Flügels spielte, wie Beethoven ihn kannte.

Die Musiker haben Beethovens Werke für diese Besetzung bereits vor einiger Zeit komplett für die CD eingespielt, sie sind also sowohl mit den Werken als auch miteinander vertraut. Und auch nun, unter anderen klanglichen und spieltechnischen Voraussetzungen, wirkte ihr Zusammenspiel sensibel aufeinander abgestimmt. Gerade die Poesie des Werkes kam hier schön zum Ausdruck.

Für Benjamin Brittens Suite Nr. 1 op. 72 für Violoncello solo tauschte Queyras Beethovens gegen sein eigenes, mit Stahlsaiten bezogenes Instrument, dessen raumfüllender Klang im direkten Vergleich umso beeindruckender war. Die Musik Brittens darf man durchaus als rückwärtsgewandt bezeichnen, was allerdings nicht heißt, sie sei nicht originell und kunstvoll.

Die Art, wie Britten in den neun Sätzen des Werkes die klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes auslotet, ist schon grandios - zumal, wenn es so klangschön, virtuos, ausdrucksstark, aber auch lustvoll verspielt dargeboten wird, wie es dem in Freiburg lebenden Franzosen an diesem Abend gelang.

Nach der Pause war zunächst Alexander Melnikov mit vier Präludien und Fugen von Dmitri Schostakowitsch am Steinway zu hören, die er mit phänomenaler Klarheit und Brillanz spielte. Hier wie auch in Brittens Suite, insbesondere in deren Fugen-Satz, war Johann Sebastian Bachs Fugen-Kunst deutlich Vorbild. Die Stücke sind aber auch eine Reverenz an das diesjährige Festival-Motto "Versuch über die Fuge".

In einem kenntnisreichen Vortrag hatte bereits vor dem Konzert der Schweizer Musikwissenschaftler Dominique Ehrenbaum erläutert, wie der späte Beethoven zur Fugenkomposition fand. Keimzelle und Inspiration für Vortrag wie Festivalmotto lieferte der Finalsatz aus Beethovens Cellosonate op. 102 D-Dur, ein "Allegro fugato", dessen komplexe Kontrapunktik die beiden Musiker mit großem Feingefühl hörbar machten. Im ausverkauften Kammermusiksaal gab es begeisterten Beifall. Und zum Dank von den Musikern noch das Finale aus Beethovens op. 69 als Zugabe.

Info

Die Beethoven-Woche wird heute Abend, 19.30 Uhr, mit dem Programm "Cellissimo!" fortgesetzt. Mitwirkende sind Jean-Guihen Queyras sowie junge Cellisten aus Köln und Bonn. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Glanzvoll von Wagner bis Strauss
Das Bundesjugendorchester in der Philharmonie Köln Glanzvoll von Wagner bis Strauss
Zum Thema
Horror, Fußball und Mörderinnen
„Internationales Frauenfilmfestival“ in Köln und Dortmund Horror, Fußball und Mörderinnen
Aus dem Ressort