Bonner Oper Jakob Peters-Messer inszeniert Beethovens "Fidelio"

Bonn · Die Oper erwirbt mir die Märtirerkrone", beklagte Ludwig van Beethoven sich bei seinem Textdichter Georg Friedrich Treitschke, der ihm 1814 dabei half, den "Fidelio" neun Jahre nach der Uraufführung noch einmal gründlich zu überarbeiten.

 Namenlose Freude: Leonore (Yannick-Muriel Noah) hat ihren Florestan (Christian Juslin) aus dem Gefängnis befreit.

Namenlose Freude: Leonore (Yannick-Muriel Noah) hat ihren Florestan (Christian Juslin) aus dem Gefängnis befreit.

Foto: Thilo Beu

Vielen Regisseuren wird der Komponist mit diesem Satz aus der Seele sprechen - freilich aus anderen Gründen. Sie bemängeln die mindere Qualität der ausgedehnten Dialoge, aber auch die stilistische Uneinheitlichkeit des Bühnenwerkes, das als Singspiel beginnt, zur Oper wird und als Oratorium endet.

Auch Jakob Peters-Messer, der den "Fidelio" in der vor 200 Jahren uraufgeführten letzten Fassung in Bonn als Koproduktion des Theaters mit dem Beethovenfest inszeniert, hat sich ein paar Gedanken gemacht, die Probleme in den Griff zu bekommen. Er erliegt nicht der verführerischen Idee, Pizarros Staatsgefängnis an einen der vielen gerade aktuellen Brandherde des politischen Weltgeschehens zu verlegen.

Diesmal bleibt es in einem nicht näher bestimmbaren dunklen, fast abstrakten Raum. Schade nur, dass Peters-Messer sich dennoch nicht ganz verkneifen kann, auch mal in die Regiemottenkiste zu greifen. Im ersten Bild konfrontiert er die Zuschauer mit einem Haufen schwarzer Schuhe, deren Anblick an überlieferte Bilder von Habseligkeiten Gefangener in Konzentrationslagern erinnert. Als Motiv wird das aber gar nicht weiter verfolgt.

Überzeugend hingegen die permanente Weitung des Raumes. Wenn zum Marsch, der zackig aus dem Orchestergraben klingt, der Vorhang hochgeht und plötzlich der Blick frei wird auf schemenhafte Soldatengestalten, die in Pizarros Rachearie expressive Schatten werfen. Oder wenn in Leonores Arie im Hintergrund sichtbar werdende Neonröhren gleichsam zu tanzen beginnen. Das Licht ist Teil der skizzenhaften Architektur des Bühnenbildners Guido Petzold, der aus einer eisernen Treppe, ein paar Rollen Stacheldraht und Gitterkonstruktionen Gefängnis und Kerker auf die Drehbühne montiert. Dass ausgerechnet in der Kerkerszene zu Beginn des zweiten Aktes mit dem in Ketten liegenden Florestan erstmals die Weite des kompletten Bühnenraumes sichtbar wird, ist ein ergreifender Theatercoup.

Überraschend ist danach die Bebilderung des oratorischen Schlusses mit seinem hymnischen Lobgesang auf Freiheit und Gattenliebe. Hier glaubt man sich plötzlich ins Musical "Les Misérables" versetzt, mit einem Chor, den Kostümbildner Sven Bindseil bunt und historisch korrekt ausstaffiert hat. Offenbar hat sich Peters-Messer durch eine zeitgenössische Darstellung des Ballhausschwurs zu Beginn der Französischen Revolution inspirieren lassen, wie sie das Umschlaginnere des Programmheftes ziert. Zwingend ist das nicht, aber die Spuren der Revolution sind in Beethovens Werk natürlich unübersehbar.

Die Neuproduktion ist ein gutes szenisches Gefäß für Aufführungen während der Beethovenfeste der kommenden Jahre. Bei der Premiere am Sonntag wurde das eingelöst. Auch wenn das Beethoven Orchester unter temperamentvoller Leitung Hendrik Vestmanns noch präziser spielen könnte. Was die Musiker können, zeigten sie vor allem bei der großen Schluss-Apotheose und auch in einigen solistischen Passagen. Der von Volkmar Olbrich auf den Punkt einstudierte Chor überzeugte ebenso wie die Solisten. Yannick-Muriel Noah gestaltete die anspruchsvolle Partie der Leonore mit musikalischer Sensibilität und Klangfülle.

Der Tenor Christian Juslin setzte seine große Szene ("Gott, welch Dunkel hier") zwar etwas zu laut an, bot aber insgesamt eine musikalisch überzeugende Darstellung. Die "namenlose Freude", die er gemeinsam mit Yannick-Muriel Noah besang, besaß echte Strahlkraft. Mark Morouse verlieh dem Bösewicht Pizarro bedrohliche baritonale Wucht. Der Minister erhielt seine milde Würde durch Giorgos Kanaris. Kerkermeister Rocco fand in dem Bassisten Priit Volmer einen profunden Interpreten, und Tamás Tarjányi sang den unglücklich verliebten Jaquino mit jugendlicher Tenorstimme. Besonders hervorzuheben wäre die in rosa Tüll gewandete Nikola Hellebrand, deren Marzellina schlichtweg hinreißend war.

Sie alle waren sicherlich glücklich darüber, sich nicht allzu sehr mit den gesprochenen Dialogen quälen zu müssen, die Peters-Messer radikal auf das Nötigste zusammengestrichen hatte. Das Premierenpublikum schenkte der Inszenierung großen Beifall.

Auf einen Blick

  • Die Oper: "Fidelio" ist Beethovens einzige Oper, deren letzte Fassung 1814 uraufgeführt wurde.
  • Die Inszenierung: Jakob Peters-Messer hebt auf die Allgemeingültigkeit des Werkes ab.
  • Die Musik: Die Gesangsleistungen sind erfreulich gut.

Weitere Vorstellungen

Weitere Vorstellungen: 3., 10., 12., 18. und 23. Oktober, 13., 21. und 29. November, 14. und 25. Dezember. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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