Internationales Bonner Tanzsolo Festival In der Identitätsfalle

Verstörend guter Auftritt: Kettly Noël beim Internationalen Bonner Tanzsolo Festival. Sie spielt Fanta Kaba am dritten Tag des fünften Internationalen Bonner Tanzsolo Festivals im Theater im Ballsaal.

 Wer ist Fanta Kaba und wer will sie sein? Kettly Noël im Finale ihrer Performance.

Wer ist Fanta Kaba und wer will sie sein? Kettly Noël im Finale ihrer Performance.

Foto: SARAH HICKSON

Sie weiß die Antwort, aber sie kennt die Frage nicht. Sie ist ganz bei sich und steht weit neben sich. Geht es darum, die zu sein, die sie sein will - oder die sie sein kann, wenn sie nur will? Möglich, dass das unmöglich ist. Sie nennt sich jedenfalls Fanta Kaba. Und sie weiß genau: Manchmal müssen die Augen voller Tränen sein, damit der Mensch klar sehen kann.

Die Frau, die Fanta Kaba am dritten Tag des fünften Internationalen Bonner Tanzsolo Festivals im Theater im Ballsaal mit elektrifizierender Intensität porträtiert, ist Kettly Noël. Geboren in Port-au-Prince auf Haiti, wechselte die Tänzerin mehrfach ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt: Nach Stationen in Paris und Benin siedelte sie 1999 nach Mali um, wo sich seitdem auch ihr schöpferisches Zentrum befindet. Im Endenicher Ballsaal gelingt ihr ein verstörend guter Auftritt.

"Je m'appelle Fanta Kaba" heißt ihr 50-minütiges Tanzsolo, das auf einer Textvorlage von Grisélidis Réal basiert. In französischer Sprache schleudert diese psychisch irrlichternde Prostituierte Fanta Kaba mit Wut und Verve Kurzbeschreibungen ihrer Freier heraus.

Sie dreht und windet sich auf einem Klavierhocker, fällt wie ein benutztes Stück Fleisch zu Boden. Dann die Wiedergeburt. Stolz, kerzengerade, angriffslustig, schnallt sie sich einen grotesken, glitzernden Riesen-BH um und postuliert via Spielzeugmegafon ihre Selbstbestimmung; nicht als Prostituierte, sondern vor allem als Frau. Einen wohl nicht ganz zufällig ausgesuchten Zuschauer lässt sie wie ein Hündchen hinter sich herkriechen.

Ein Pyrrhussieg im Geschlechterkampf: Am Ende zieht sich Fanta Kaba Stilettos an, sie ist völlig nackt, nur ein weißer Brautschleier umweht sie. Sie dreht sich tippelnd um ihre eigene Achse wie eine roboterhafte Schaufensterpuppe. Fanta Kaba ist in die Identitätsfalle getappt. Sie sei ein Fan von Naomi Campbell, sagt sie. Sie wolle auch ein Star werden. Sie habe gehört, das ginge am besten über das Fernsehen. Als Model.

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