Orchester in Bonn Immer wieder Strauss

Satter Wohlklang mit den Münchner Philharmonikern und eine Überraschung mit dem Beethoven Orchester - die Bilanz des Wochenendes.

 Bratschist Lars Anders Tomter, Dirigent Stefan Blunier und das Beethoven Orchester.

Bratschist Lars Anders Tomter, Dirigent Stefan Blunier und das Beethoven Orchester.

Foto: Felix von Hagen

Münchner Philharmoniker

Vor zwanzig Jahren, zu der Zeit also, als die Stadt Bonn das Beethovenfest aus Kostengründen gestrichen hatte, formierten sich ein paar private Initiativen, die Beethovens Verstummen in Bonn nicht hinnehmen wollten. Darunter kurioserweise auch die Münchner Philharmoniker, die unter der Leitung ihres legendären Chefdirigenten Sergiu Celibidache in Bonn die "Beethoventage" ausrichteten, mit Sinfonie- und Kammerkonzerten. Die kleine Konzertreihe war damals als Probelauf gedacht für ein großes Beethovenfest zum 225. Geburtstag des Komponisten, der 1995 bevorstand. Das Vorhaben zerschlug sich jedoch, weil die Münchner und die Stadt Bonn nicht zueinander fanden.

Jetzt, nach zwei Jahrzehnten Pause, waren die Münchner Philharmoniker wieder da, diesmal natürlich als Gäste. Man muss ihr Konzert als eine Sternstunde des romantischen Schönklangs bezeichnen. Unter der Leitung des früheren Chefs des Kölner WDR Sinfonieorchesters Semyon Bychkov, der das Dirigat für den im Juli verstorbenen Lorin Maazel übernommen hatte, durfte man sich der Musik von Antonin Dvorák und Richard Strauss hingeben. Die Musik des böhmischen Komponisten bildete sozusagen den Rahmen, oder besser: Auftakt und grandioses Finale.

Schon in der Konzertouvertüre "Karneval" kamen die Vorzüge dieses exquisiten Klangkörpers aus der Bayern-Metropole zum Vorschein. Vor allem war es hier der massiv eingesetzte Tutti-Klang, den das Orchester jedoch durchaus subtil formte. Was für großartige Musiker in den Reihen dieses Orchesters sitzen, erlebte man im zweiten Hornkonzert, das Richard Strauss 1942 komponierte. Den Solopart spielte mit wunderbarem Ausdruck, schönem Klang und technischer Perfektion Jörg Brückner, der später, in Dvoráks neunter Sinfonie wieder seinen Dienst im Orchester verrichtete.

In Böhmens Klangwelten, denen Dvorák selbst in seiner amerikanischen Sinfonie "Aus der neuen Welt" ausgiebig huldigt, kennen sich Bychkov und die Münchner offenbar bestens aus. Die Streicher spielten an diesem Abend mit klanglicher Fülle und einer Wärme, die den eigentümlichen Charakter von Dvoráks Musik unterstreicht, auch die Holzbläser brachten mit weichen Klarinettenklängen, schönem Zusammenspiel von Flöten und Oboen viel Atmosphäre ins Spiel. Das Englischhorn erzählte im Largo-Thema in wunderbaren Klangfarben von Sehnsucht, Melancholie und Einsamkeit. In den beiden letzten Sätzen tobte sich das Orchester dann klangschön und absolut mitreißend aus. Die Münchner haben eben Temperament. Und Bychkov auch. Das am Ende stehende Publikum in der dicht besetzten Beethovenhalle war begeistert.

Beethoven Orchester

In diesem Jahr kommt auch das Beethovenfest nicht an den Jubilar Richard Strauss vorbei. In den vergangenen Tagen war die Strauss-Dichte ganz besonders stark. Das von den Philharmonikern aus Rotterdam am Mittwoch gespielte "Heldenleben" und die vom Beethoven Orchester zwei Tage später am Freitag nachgereichte "Sinfonia domestica" bilden sogar eine hübsche programmatische Ergänzung. Beide Werke tragen autobiografische Züge, wobei Strauss - wenn man es salopp formulieren will - hier die Metamorphose vom Helden zum Pantoffelhelden durchlebt. Denn in der Sinfonia domestica beschäftigt der Komponist mehr als hundert Musiker eine Dreiviertelstunde lang damit, den Familienalltag von Papi, Mami und Bubi zu beschreiben - man erfährt unter anderem, dass Bubi um sieben Uhr die Augen schließen musste und morgens um Sieben aufgestanden wurde. Und wie das Ehepaar Strauss die Zeit dazwischen verbrachte, wird auch nicht verschwiegen.

Das üppig besetzte Beethoven Orchester und ihr Chef Stefan Blunier behandelten das Werk jedoch mit dem Ernst, den seine musikalische Substanz verdient. Vielleicht würde es ja ohne das skurrile Programm ja sogar häufiger aufgeführt. Blunier achtete sehr auf einen durchhörbaren, luftigen Klang, überzeugte durch eine ausgeklügelte dynamische Regie.

Die eigentlich Überraschung des Abends aber war die "Musik für Orchester" des 1915 mit 28 Jahren im Ersten Weltkrieg gefallenen Rudi Stephan. Der in Worms geborene Komponist hat hier ein Werk hinterlassen, das zwar im Dunstkreis von Strauss und Schreker anzusiedeln ist, aber dennoch eine ganz eigene souveräne und zupackende Klangsprache entwickelt. Blunier arbeitete mit seinen Musikern die kompositorische Raffinesse wunderbar heraus.

Als Solokonzert war an diesem Abend Paul Hindemiths Kammermusik Nr. 5 für Solo-Bratsche und größeres Kammerorchester zu hören. Der Norweger Lars Anders Tompter spielte den unglaublich virtuosen, teils atemlos vorwärts drängenden Solopart mit bewundernswertem Können, ließ selbst heikelste Doppelgriffe und Läufe völlig unangestrengt erscheinen. Nachdem der Applaus in der nur sehr mäßig besuchten Beethovenhalle in rhythmisches Klatschen übergegangen war, bedankte sich Tomter mit einer Sarabande von Johann Sebstian Bach.

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