Verdis frühe Oper "Giovanna d'Arco" Im grellen Feuerschein

Bonn · Das Duo "fettFilm" visualisiert in Bonn Verdis frühe Oper mit beeindruckenden Bildern: Die Flammen züngeln schon gefährlich zu Beginn der von Will Humburg effektvoll dirigierten Ouvertüre zu Giuseppe Verdis "Giovanna d'Arco", die am Sonntag in Bonn umjubelte Premiere hatte.

 Bedrohliche Schatten des Krieges: Szene aus Giuseppe Verdis "Giovanna d'Arco" mit Jacquelyn Wagner und George Oniani.

Bedrohliche Schatten des Krieges: Szene aus Giuseppe Verdis "Giovanna d'Arco" mit Jacquelyn Wagner und George Oniani.

Foto: Thilo Beu

Natürlich lässt der Anblick des Feuerscheins an den Scheiterhaufen denken, auf dem die Heilige Johanna von Orleans ihren gewaltsamen Tod fand. Nun geht die Geschichte aber bei Verdi und seinen Librettisten Temistocle Solera etwas anders aus: Dort zieht die Jungfrau an der Seite ihres Königs in eine letzte große Schlacht, in der sie schließlich tödlich verwundet wird. Verdi orientiert sich also nicht an den historischen Realitäten, sondern an Schillers Drama "Die Jungfrau von Orleans", das unschwer als Vorlage für die Oper zu erkennen ist.

Momme Hinrichs und Torge Møller, zwei auf die Oper spezialisierte Video-Künstler, die sich seit Hamburger Studententagen "fettFilm" nennen und regelmäßig mit Regie-Größen wie Stefan Herheim zusammenarbeiten, möchten in ihrer ersten eigenen Inszenierung die Schiller'sche Sicht auf die Vorgänge im Frankreich des Hundertjährigen Krieges wieder etwas näher an die überlieferte Geschichte heranführen. Die historisierenden Kostüme, mit denen Ute Heiseke das Volk ausstattet, verweisen deutlich aufs 15. Jahrhundert. Und Johanna präsentiert sich ikonografisch korrekt mit Schwert und Brustpanzer.

Aber die Inszenierung lebt vor allem vom fantasievollen Einsatz der Video-Kunst. Die Installationen dienen als Erweiterung des Bühnenbildes. Beeindruckend, wie die raumgreifende schlichte weiße Treppenkonstruktion allein durch den Einsatz von Video-Projektionen scheinbar zu schwanken beginnt, sich bewegt und in einen steinigen Waldweg verwandelt, wobei die Bäume des Waldes natürlich ebenfalls Lichtprojektionen sind.

Die Video-Kunst macht Dämonen sichtbar, lässt eine dichte Rosenhecke wachsen und erblühen, sie lässt die Kathedrale von Reims und das Standbild der Jeanne d'Arc auf dem Place du Parvis erstehen oder zieht den Blick in die Weite eines Schlachtfeldes. Die Bühnen-Verwandlungen funktionieren bei "fettFilm" fast wie im Kino, nur ohne Einsatz der Leinwand.

Im Verlauf der Oper bricht das - trotz Video-Kunst - eigentlich konventionell bleibende Muster der Johanna-Erzählung auf. In der Bonner Inszenierung wird die Forderung der Menge, Johanna als Hexe hinzurichten, brutal in die Tat umgesetzt; man foltert sie und verbrennt sie am Kreuz. Der Rest der Geschichte ist eine pessimistische Vision der Welt im Krieg, für die stellvertretend Napoleon (in dessen Kleidern König Karl VII. zu sehen ist) und schwarz-weiße Weltkriegsbilder stehen.

Die Schlussarie Johannas, die als Erscheinung wiederkehrt, ist herzergreifend. In Jacquelyn Wagner erlebt man hier eine Sängerin, die Johannas Gefühle mit ihrer wunderbaren Sopranstimme und ihrem absolut stilsicheren Gesang sehr genau ausleuchtet. König Carlo wird durch den Tenor George Oniani ebenfalls großartig und mit bemerkenswerter stimmlicher Präsenz verkörpert.

Der für spätere Verdi-Opern charakteristische Vater-Tochter-Konflikt ist in der "Giovanna" bereits vorgezeichnet, was die Regie durch eine Vorgeschichte unterstreicht, die während der Ouvertüre in stummen Bildern erzählt wird. Man sieht die kleine Johanna betend vor dem Kreuz knien, während der Vater Brautwerber zu ihr führt, die sie alle ablehnt.

Möglicherweise spielt beim späteren Verrat, wenn er seine eigene Tochter den Engländern ausliefert, auch verletzte Eitelkeit eine große Rolle. Der Bariton Maxim Aniskin verleiht dieser zerrissenen Vaterfigur vor allem sängerisch eine immense Tiefe. Mit Christian Georg und Martin Tzonev sind auch die kleineren Partien des Delil und Talbot ausgezeichnet besetzt.

Der in dieser Oper als Volk, Engel und Dämonen viel beschäftigte Opernchor gefällt in den dramatisch packenden Episoden ebenso wie in den sphärischen Gesängen. Chordirektor Volkmar Olbrich hat hier großartige Vorarbeit geleistet.

Der temperamentvolle und präzise Dirigierstil Will Humburgs führt das Beethoven Orchester zur Höchstleistung. Schon allein dafür lohnt der Besuch dieser frühen Verdi-Oper.

Weitere Termine

29. Oktober, 8., 16., 23., 27. November, 5., 7., 11. Dezember 2014; 7., 11. und 17. Januar 2015 . Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

Auf einen Blick

Die Oper: "Giovanna d'Arco": eine selten aufgeführte Verdi-Rarität.
Die Inszenierung: Beeindruckende Video-Installationen prägen den zweieinhalbstündigen Abend.
Die Musik: Will Humburg leitet eine großartige Aufführung mit tollen Sängern.

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