Kölner "Supernerds"-Projekt Im Datennetz der Überwacher

KÖLN · Das ist für uns alle das erste Mal", sagt Regisseurin Angela Richter und meint die Verzahnung von Theaterabend und Live-TV (Moderation: Bettina Böttinger, WDR-Fernsehen). Genau dies probiert ihre mit dem WDR realisierte Produktion "Supernerds - Ein Überwachungsabend", die am 28. Mai im Depot 1 des Kölner Schauspiels uraufgeführt wird.

 "Dagegen wäre die Stasi ein Kindergarten": Regisseurin Angela Richter.

"Dagegen wäre die Stasi ein Kindergarten": Regisseurin Angela Richter.

Foto: Geiser

"Natürlich muss die Technik laufen", meint Richter, "aber sie darf nicht absolut im Fokus stehen, sonst fliegt uns der Abend inhaltlich um die Ohren." Zur Technik zählt, "dass dies wohl die erste Theateraufführung ist, wo die Besucher ausdrücklich aufgefordert werden, die Handys einzuschalten".

Tatsächlich müssen Zuschauer vorab Mobiltelefonnummern und E-Mail-Adressen hinterlegen, um ins Überwachungsnetz der Aufführung (nicht der NSA!) zu gelangen. "Dies sind übrigens Daten, die die meisten Menschen im Alltag ganz selbstverständlich angeben, etwa bei Interneteinkäufen.

Uns geht es darum, daraus Rückschlüsse auf die Mechanismen des Überwachungsapparats zu ziehen." Geplant ist ein "aufklärerischer Abend, es muss Propaganda sein, die die Leute aufweckt. Aber uns liegt überhaupt nicht daran, Zuschauer zu blamieren. Wir wollen mit unseren Spielchen zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, seinen privaten Bereich besser gegen Ausspähung abzudichten". Richter erklärt zwar: "Ich verschlüssele mittlerweile, was ich als bewussten zivilen Ungehorsam ansehe, andererseits will ich nicht zu paranoid werden."

Seit Jahren beschäftigt sie sich mit Whistleblowern wie Julian Assange oder Edward Snowden, "Was Snowden losgetreten hat, ist noch gar nicht überschaubar, das ist ein Thema, das bleibt. Und ich wundere mich schon, wie leicht die allgegenwärtige Überwachung immer noch genommen wird". Man müsse sich nur einmal vorstellen, "was etwa eine Regierung unter Marine Le Pen in Frankreich mit all diesen Daten anfangen könnte: Dagegen wäre die Stasi ein Kindergarten..."

Auch als Gast des "Cyber Security Summit" der Telekom sei ihr klar geworden, "dass all die technischen Möglichkeiten am wenigsten zur Terrorabwehr angewendete werden, sondern für Industriespionage, Verbrechen und Kontrolle". Dabei sei jener Privatbereich bedroht, zu dem niemand Zugang haben sollte. "Außerdem sind Leute ohne Geheimnisse langweilig".

Die Kölner Hausregisseurin hat Assange regelmäßig in der ecuadorianischen Botschaft in London getroffen und nun auch Snowden in Moskau besucht. "Wir haben uns etwa über Verrat unterhalten und festgestellt, dass wir Verrätern wie Galileo Galilei oder auch Stauffenberg unglaublich viel verdanken." Assange, der die NSA in "National Security Religion" umbenannt hat, wird beim "Supernerds"-Abend auftreten - "wie, möchte ich nicht verraten". Und auch Snowdon soll in der "Apokalypse der Überwachung" (Richter) wohl per Skype präsent sein. Beiträge von beiden gehören zum Rückgrat des Stücks.

Letzteres kann auch auf Interviews mit Daniel Ellsberg (Schlüsselfigur bei der Verbreitung der "Pentagon-Papiere") und den ehemaligen NSA-Gewaltigen Thomas Drake oder Bill Binney zurückgreifen. "Beide waren früher Kalter-Krieg-Hardliner, bevor sie zu Whistleblowern wurden." Und beide wissen, "dass es hier nicht nur um Terrorbekämpfung, sondern auch um großes Geld geht".

Und wie geht es den Protagonisten? "Assange hat der Snowden-Fall sichtlich Auftrieb gegeben, er hat ja auch die Flucht nach Moskau orchestriert. Und Snowden war bei meinem Besuch sehr offen, angenehm im Umgang und angesichts seiner Situation überraschend konzentriert und entspannt."

Die Premiere ist am Donnerstag, 28. Mai. Weitere Informationen unter schauspielkoeln.de

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