Interview mit Autor Marc Degen "Ich mag auch das Idyllische an Bonn"

Bonn · Seinen vierten Roman "Fuckin Sushi", der von einer punkigen Schülerband erzählt (siehe GA-Journal vom 28. Februar), lässt Marc Degens in Bonn spielen. Bernhard Hartmann sprach mit ihm über die Stadt.

Punk in Bonn: "Fuckin Sushi"-Autor Marc Degens lebt heute in Toronto, Kanada.

Punk in Bonn: "Fuckin Sushi"-Autor Marc Degens lebt heute in Toronto, Kanada.

Foto: Frank Maleu

Sie sind in Essen geboren, haben lange in Berlin gewohnt. Was hat Sie denn bewogen, nach Bonn zu ziehen?
Marc Degens: Der Entschluss kam zu einer Zeit, als meine Frau und ich in Armenien waren. Sie hat dort drei Jahre lang für den DAAD gearbeitet. Als man ihr dann eine Stelle in der Zentrale anbot, haben wir uns für diese Stadt entschieden. Es war schon kurios, wie unsere Pläne von unseren Berliner Freunden aufgenommen wurden. Als wir sagten, dass wir nach Eriwan gehen, fanden sie es okay, aber als wir ihnen mitteilten, wir gehen nach Bonn, war das Entsetzen groß. Dabei hat es uns sofort sehr gut gefallen.

Wie haben Sie die Stadt nach Ihrem Umzug wahrgenommen?
Degens: Einerseits als sehr lebendig. Mir gefällt, dass Bonn eine Studentenstadt ist. Studenten prägen eine Stadt. Das sieht man an den Kneipen, an Cafés, an Buchhandlungen. Außerdem merkt man das Vorhandensein einer bildungsbürgerlichen Schicht. Das ist ein gutes Klima für Kultur. Die Secondhandläden oder Oxfam sind immer mit großartigen Büchern bestückt. Ich mag auch das Idyllische an Bonn. Ich wollte zwar immer am Meer leben, aber man hat hier ja immerhin den Rhein, der auch sehr beeindruckend ist. Und man kann wunderbar mit dem Fahrrad herumfahren. Was ich allerdings gegenüber Berlin vermisst habe, sind die Konzertorte, in die man auch noch in meinem Alter hingehen kann. Aber das konnte ich verschmerzen: Mit über 40 geht man auch nicht mehr so oft in solche Schuppen.

Die Schauplätze Ihres Romans "Fuckin Sushi" sind deutlich wiederzuerkennen. Man könnte sich aufs Fahrrad setzen und die Wege Ihrer Helden Niels, René, Lloyd und Nino abfahren. Wie wichtig ist dieser Realismus fürs Schreiben?
Degens: Das ist nicht zwangsläufig wichtig. Aber in diesem Roman stand es im Vordergrund und hat sich für die Geschichte angeboten. Natürlich prägen die Landschaft und die Stadt die Charaktere. Aber man darf nicht vergessen, dass der Roman nicht nur für die Bonn- oder Rheinlandkenner gemacht ist. Es geht vor allen Dingen um das Lebensgefühl der 17- bis 18-Jährigen, das ziemlich universal ist - unabhängig vom Ort und auch von der Zeit. Ob die Geschichte in den 70ern oder den 90ern spielt oder in der Gegenwart, ist nicht wichtig. Mich hat es gereizt, beides zu vermengen: Bonn als Setting zu nehmen und ein Lebensgefühl, das universal ist.

Sie sind deutlich älter als Ihre Helden. Steckt trotzdem viel aus Ihrer eigenen Geschichte in dem Buch?
Degens: Das kann man durchaus sagen. Das Gefühl der Unbestimmtheit in diesem Alter, das Draufgängerische einerseits und das Naive auf der anderen Seite, ist etwas, das jeder kennt, der durch die Pubertät gegangen ist. Dass ich selbst in mehreren Bands gespielt habe, hat mir beim Schreiben sehr geholfen. Auch wenn ich es nicht eins zu eins übertragen habe. Ich habe nie Bass gespielt, sondern in erster Linie Bohrmaschine, da meine erste Band eine Industrial-Band war. Aber dieses Gefühl, auf Tour, im Proberaum oder im Studio zu sein, ist mir sehr vertraut.

Haben Sie Bonner Bands erlebt?
Degens: Ich habe einige Konzerte von Bonner Nachwuchsbands gesehen. Nur zu einem Konzert von Bonngwasser, die auch in meinem Roman vorkommen, habe ich es nicht geschafft.

"Fuckin Sushi" proben in einem Turm auf der Beueler Seite. Gibt es für das Gebäude ein Vorbild?
Degens: Leider nein. Den Turm habe ich gesucht, aber noch nicht gefunden. Der "Müll-Tower", wie er im Roman heißt, sollte so eine Art Gegenentwurf zum Post Tower sein und muss wohl erst noch gebaut werden.

Ihre jungen Helden propagieren das sofortige Abrentnern nach dem Abi und den Weltfrieden. Handelt es sich da um ironische Floskeln, oder steckt doch ein bisschen mehr dahinter?
Degens: Das Abrentnern steht ja für ein bestimmtes Lebensgefühl. Ich habe dazu schon viele Reaktionen von Lesern gehört. Das Erstaunliche dabei ist, dass Leute aus allen Generationen an dieser Idee Gefallen finden. Sowohl die Älteren, die schon in Rente sind, als auch die ganz Jungen. Der Gedanke ist natürlich sehr zugespitzt formuliert, aber er trifft anscheinend die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben.

Waren Sie beim Konzert von Bob Dylan in der Rheinaue?
Degens: Ja. Und anders als Niels in "Fuckin Sushi" bin ich bis zum Schluss geblieben. Dylan in Bonn, damit konnte ich bei meinen Berliner Freunden richtig trumpfen...

Für morgen, Mittwoch, 19.30 Uhr, lädt das Literaturhaus zur Lesung aus "Fuckin Sushi" mit dem Autor Marc Degens in die Fabrik 45, Hochstadenring 45.

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