Kunstvereins-Direktorin verlässt die Stadt "Ich habe viel gelernt in Bonn"

Ich bin traurig", sind ihre ersten Worte: Christina Végh sieht ihren Weggang von Bonn durchaus ambivalent. Zehn Jahre lang hat sie weit mehr als nur das Programm des Bonner Kunstvereins geprägt.

 Von Bonn nach Hannover: Kunstvereins-Chefin Christina Végh.

Von Bonn nach Hannover: Kunstvereins-Chefin Christina Végh.

Foto: Patrick C. Haas

Sie hat eine neue Phase eingeleitet, die sich für alle sichtbar in den sanierten, renovierten, immens aufgewerteten Räumen der ehemaligen Blumenhalle am Hochstadenring manifestiert. Die Öffnung der Institution nach außen, das einladende Entree mit toller Gastronomie und Lesekiosk, die unterschiedlichen Spielräume in Foyer, Halle und Kubus - all dies trägt die Handschrift der 43-jährigen Schweizerin.

Sie hat den Kunstverein zusammen mit dem Vorstand geformt, das Publikum dankt es ihr, die Mitgliederzahlen steigen. Nun erklimmt die Kunsthistorikerin die nächste Sprosse der Karriereleiter: Von der Aufbauarbeit in Bonn geht es zum größten Kunstverein Deutschlands, der Kestnergesellschaft Hannover. Deren Direktor, Veit Görner, hatte im Mai seinen Rücktritt erklärt, er fühle sich mit 61 nicht mehr in den Lage, den Scout für die "Generation Whats-App" zu spielen, verriet er der Presse. "Ab 60 ist man in der Kunst ein alter Sack."

Eine prominent besetzte Findungskommission kürte Christina Végh, die im Mai kommenden Jahres antreten soll, zur Nachfolgerin. Görner hinterlässt große Fußspuren, setzte gerade mit einer spektakulären Ausstellung mit Andreas Gursky, Jeff Wall und Neo Rauch bundesweit Ausrufezeichen. Namen, mit denen Végh in Bonn nicht punkten konnte, wiewohl sie mit John Baldessari, den Tobias-Brüdern, Shannon Bol, Klara Lidén, Charlene von Heyl, der Aktion "Totalschaden" von Gregor Schneider und anderen international renommierte Künstler zeigte.

Der Bonner Kunstverein ist anders gepolt: "Wir haben ein ganz anderes Profil", sagt Végh, etwas davon will sie auch nach Hannover tragen. "Kunst als Wissensaneignung" ist ihre Botschaft. Wie das geht? Sie bevorzugt ein Programm, das nicht aus einer Aneinanderreihung von Ausstellungen besteht, sondern aus aufeinander aufbauenden Elementen, aus Fragestellungen, die nach und nach bearbeitet werden. Vorgeführt hat sie dieses Prinzip in Bonn mit einer Folge von Doppelausstellungen - Jonas Dahlberg/Jan Mancuska, Mathias Poledna/Christopher Williams, Annette Kelm/Michaela Meise. Es ging um die Frage: Wie entsteht Kunst?

Eine Versuchsanordnung. Konzentration, Themen setzen, Reflexion: Das interessiert sie. "Ich mag das Wort 'Nachhaltigkeit' nicht, aber genau das meine ich: Fokussieren und Konzentrieren." In der Kestnergesellschaft, die personell und finanziell besser ausgestattet ist als die Bonner Institution, hofft sie das besser umsetzen zu können: "Die Kestnergesellschaft ist groß genug, um das zu leisten, und nicht zu groß, sie kann experimentell sein."

Rückblickend freut sich Christina Végh über die vielen Erfahrungen, die sie in Bonn machen konnte, vergisst aber nicht, wie hart es war, "immer am Limit zu arbeiten". "Ich hätte gerne mehr Kataloge zu den Ausstellungen gemacht", sagt sie, hätte gerne mehr Geld, mehr Personal gehabt. Die Stadt Bonn fördert den Kunstverein mit 156.000 Euro jährlich, was gänzlich für Personalkosten ausgegeben wird.

Jede Aktivität, jede Ausstellung muss fremdfinanziert werden. "Ich habe viel gelernt in Bonn", sagt sie, "es war toll, so viel bewegen zu können." "Das Rheinland ist so wunderbar, es gibt so viele kunstinteressierte Menschen, jeder, der hier arbeitet, empfindet das als großes Kapital." Vor diesem Hintergrund findet sie es ärgerlich, dass es "zu wenig Lokalpatriotismus in Bonn gibt". Es ist ihr zu wenig Bewegung in der Stadt, zu wenig Engagement. Dabei: "Bonn kann sich sehen lassen, könnte selbstbewusster sein."

In Erinnerung bleiben werden Christina Véghs große Empathie für Künstler und die Sache der Kunst, ihr Engagement und Durchsetzungswillen und die nicht enden wollenden Eröffnungsreden, in denen sie sich bisweilen in ihrer schönen Schweizer Sprachfärbung in Satzkaskaden ohne Ziel und Schluss verlief. Und man ihr trotzdem gerne und schwer irritiert folgte.

"Wir haben mit ihr das große Los gezogen", sagte Stefan Weidle, Vorstandsmitglied des Kunstvereins, am Dienstag, "man kann der Kestnergesellschaft nur gratulieren." Man werde Christina Végh vermissen. Gestern Abend trat der Vorstand zusammen, um die weiteren Schritte zu beraten Weidle ließ es offen, ob man die Direktorenstelle ausschreiben oder eine Findungskommission einsetzen werde. Wichtig sei, dass die Finanzierung stabil bleibe. "Sie hat wahnsinnig viel gemacht", sagte Weidle und erinnerte daran, dass es Véghs Idee war, den Kunstverein auf der Art Cologne zu präsentieren, dass sie mit einer spektakulären Auktion dem Umbau des Vereins auf die Beine half, ein erstklassiges Team zusammengestellt habe. "Wir hatten zehn schöne Jahre mit ihr."

Weidle lobt Végh als "exzellent vernetzte" Figur im Kulturbetrieb und sieht sich bestätigt in seiner Meinung, dass Kunstvereine die Basis unseres Kulturlebens sind und Sprungbrett zugleich. Kam nicht Stephan Berg vom Kunstverein Hannover ins Kunstmuseum Bonn? Und stieg nicht der Bonner Yilmaz Dziewior vom Chef des Hamburger Kunstvereins zum Direktor des Kunsthauses Bregenz auf? Im Februar 2015 tritt er seine neue Stelle als Chef des Museums Ludwig in Köln an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort