Gespräch zwischen Giganten Herbert Schuchs großartiger Klavierabend im Kammermusiksaal

Man ist geneigt, von einem genialischen Geistesblitz zu sprechen, der den Pianisten Herbert Schuch bewegte, die aus elf Klavierstücken bestehende Musica ricercata György Ligetis und die elf neuen Bagatellen op. 119 von Ludwig van Beethoven zu einem einzigen Werkkomplex zu verschmelzen.

 Pianist Herbert Schuch.

Pianist Herbert Schuch.

Foto: FB

Seinen Auftritt im ausverkauften Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses begann er mit der Nr. 1 Ligetis, der die Nr. 1 von Beethoven unmittelbar folgte. Ein Spiel, das Schuch konsequent bis zum Ende weiter trieb, so dass beide Komponisten immer hübsch abwechselnd an der Reihe waren.

Das Verblüffende an dieser ungewöhnlichen Dramaturgie war, dass sie funktionierte und sich mitteilte, als wär's ein Gespräch zwischen den beiden Komponistengiganten. Dafür musste Schuch die Stücke keinesfalls interpretatorisch verbiegen. Denn sowohl die von Beethoven inhaltlich lose zusammengestellte Bagatellen, als auch die systematisch aufeinander aufbauenden elf Stücke Ligetis sind jeweils für sich genommen schon von sehr konträrer Natur, die von leiser Poesie bis zum exzentrischen Poltern kaum eine Nuance auslässt.

Schuch ließ die Brüche, wo sie sich auftun, stehen, verband die Stücke an anderen Stellen jedoch auch so wunderbar, dass die Übergänge zwischen Beethoven und Ligeti fast nahtlos vonstatten gingen. Die aus den Tönen D und E bestehende Oktaven-Dissonanz zu Beginn von Ligetis Nr. 8 (Vivace) wurde durch den gebrochenen Fortissimo-Akkord Beethovens gleichsam vorbereitet, statt wie sonst unvermittelt der bewegten Ruhe der Ligeti'schen Nr. 7 ein Ende zu bereiten.

Seine hoch entwickelten Anschlags- und Gestaltungsqualitäten erlaubten es Schuch, jedem einzelnen Stück plastisch Gestalt zu verleihen. Ebenso den beiden folgenden Stücken, die in der zweiten Hälfte erklangen. Der "Winsboro cotton mill blues" des Amerikaners Frederic Rzewski ist ein kompromissloses Meisterwerk, das die schlichte Blues-Melodie in abenteuerliche Tontrauben-Exzesse gipfeln lässt, die Schuch trotz heftigen Unterarmeinsatzes immer noch klanglich klar umrissen spielten.

Grandioser Abschluss des ungewöhnlichen Klavierabends war eine vollendete Wiedergabe der letzten Klaviersonate Beethovens. Schuch spielte das op. 111 im ersten Satz mit großer Energie und klanglicher Trennschärfe. Und die Entwicklung des friedlichen Variationsthemas hin zu den wilden Synkopen der dritten Variation und dem sich scheinbar in Klang verlierenden, uferlosen Schluss gestaltete Schuch ebenso bewegend wie makellos. Auch die Zugaben waren mit Sorgfalt gewählt: Bach/Busonis "Ich ruf' zu dir, Herr Jesu Christ" und Schuberts Impromptus in Ges-Dur, beides vorgetragen mit großer Musikalität.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort