Fortsetzung von "Twin Peaks" Genial surreal

BONN · Der amerikanische Regisseur David Lynch plant eine Fortsetzung von "Twin Peaks"

Das Opfer: Sheryl Lee als Laura Palmer.

Das Opfer: Sheryl Lee als Laura Palmer.

Foto: arte CBS Studios International

It's happening again" - es passiert wieder. Einen der denkwürdigsten Sätze aus der Fernsehserie "Twin Peaks" (1990-1991) hat ihr Schöpfer David Lynch vor kurzem per Twitter abgesetzt. Doch anders als in der Serie, wo sich ein neuer Mord ankündigte, hatte Lynch eine frohe Botschaft parat. "Twin Peaks" wird nach 25 Jahren um eine dritte Staffel verlängert. 2016 soll die Fortsetzung gesendet werden, teilten Lynch, Produzent Mark Frost und der US-Sender Showtime mit. Geplant seien zunächst neun neue, von Lynch und Frost geschriebene Episoden. Bei allen neun soll Lynch die Regie übernehmen. "Die geheimnisvolle und besondere Welt von Twin Peaks zieht uns zurück. Wir sind sehr aufgeregt. May the forest be with you", erklärten Lynch und Frost.

"Twin Peaks" lief 1990 und 1991 auf dem US-Sender ABC und spielte in dem gleichnamigen, fiktiven Holzfällerstädtchen. FBI-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) ermittelte in dem mysteriösen Mordfall Laura Palmer. 1992 folgte noch ein Kinofilm.

Der Pilotfilm und alle 29 Episoden sind seit den neunziger Jahren für die Nachwelt konserviert worden: zunächst auf VHS-Video, später auf DVD. Seit Ende Juli 2014 ist die Blu-ray-Box "Twin Peaks - The Entire Mystery" auf dem Markt: die Kultserie in feinster HD-Qualität.

Diese Sammlung beinhaltet alle Episoden der TV-Serie. Der Kinofilm "Twin Peaks: Fire Walk With Me" ist um fast 90 Minuten gelöschter und alternativer Filmszenen ergänzt worden. Neu sind überarbeitete Einführungen der "Log Lady" für jede Episode, Bildüberarbeitungen einiger Aufnahmen der TV-Serie und ein Interview mit Lynch und den Darstellern der Palmer-Familie: Sheryl Lee (Laura), Grace Zabriskie (Sarah Palmer) und Ray Wise (Leland Palmer). Lynch befragt in einem surreal-absurden Rahmen die Palmers über ihre gegenwärtige Existenz (nur mehr Sarah Palmer ist am Leben). Es schließt sich eine Diskussion zwischen den Schauspielern an. Es muss ein großes Glück für sie gewesen sein, mit Lynch das Universum "Twin Peaks" zu erschaffen. Die Begeisterung für die Serie und ihren genialischen Schöpfer hat sich bis heute erhalten.

David Lynch war seinen Erinnerungen zufolge ein Junge, der alles hatte. Also sehnte er sich nach etwas Abwechslung: "Etwas, das bewirkt hätte, dass plötzlich alle mit einem Mitleid haben. Und man zu einer Art Opfer würde. Wenn es zum Beispiel einen schlimmen Unfall gegeben hätte und man allein zurückgeblieben wäre. Auch das ist eine Art schöner Traum. Aber natürlich ging alles seinen ganz normalen Gang weiter." Es hat nicht sollen sein. Die Eltern des am 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, geborenen David Lynch taten dem kleinen David nicht den Gefallen, vor den Bus zu laufen. Im Gegenteil, Lynchs Mutter und Vater lebten gesund, sie stritten sich nie, rauchten und tranken nicht - sehr zum Leidwesen des Sohnes.

Seine Fantasie verarbeitete er später produktiv in seiner Kunst. In der Fernsehserie "Twin Peaks" konnte der Regisseur all seinen Ideen und Einfällen hemmungslos nachgeben. Die Geschichte beginnt mit dem Mord an der Schülerin Laura Palmer (Sheryl Lee).

Der Filmhistoriker Robert Fischer erklärte Laura, zur "ersten nekrophilen Ikone der Popkultur". Lynch bewies in "Twin Peaks" das seltene Talent, sich unterschiedliche Genres anzueignen und etwas vollkommen Neues und Eigenständiges zu erschaffen. Die Serie befriedigte die Schaulust des Publikums, amüsierte und schockierte, sie weckte Zuneigung für ihre Figuren und gab dem Zuschauer Rätsel auf. Lynch errichtete auf einem realen Fundament eine (Alb-)Traumwelt, in der das Irreale alltäglich und das Alltägliche irreal erschien. "Twin Peaks" ließ sich als skurrile Kleinstadt-Satire genießen, aber auch als tiefenpsychologisches oder metaphysisches Gleichnis. In jedem Fall boten die Episoden Fernsehunterhaltung auf höchstem Niveau. Robert Fischer betrachtete die Serie als "ein Whodunit für die Krimifreunde, eine Seifenoper für die Couch-Potatoes, ein Augen- und Ohrenschmaus für Cineasten, intelligente Unterhaltung für die Anspruchsvollen, ein Fest für die (älter und häuslicher gewordenen) New-Wave- und Eraserhead-Fans".

Lynch zeigt mit Vorliebe das Abgründige der menschlichen Natur, gleichzeitig hegt er eine sentimentale Sympathie für das Ideal der reinen Liebe.

Auf seine Art variiert der amerikanische Regisseur in seinen Filmen wie auch in der Fernsehserie "Twin Peaks" die Geschichte von Romeo und Julia. Dabei kommt es dem ehemaligen Kunststudenten weniger auf eine plausible Geschichte an, er will vielmehr "eine Welt kreieren oder eine Atmosphäre oder eine Komplexität". Kafka, hat Lynch gesagt, könnte sein Bruder sein.

"Twin Peaks - The Entire Mystery". Blu-ray-Box, Paramount.

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