Adeles neues Album "25" Ein Song für die Ewigkeit ist auch dabei

Als ihr Opa an einem Infarkt starb, war Adele Laurie Blue Adkins aus Tottenham zehn Jahre alt und beschloss in ihrer Trauer, Herzchirurgin werden. Das ist der heute mit Abstand erfolgreichsten Sängerin der Welt gelungen, wenn auch anders als geplant. Adele (27) teilt ihren Herzschmerz mit der Welt - und verarztet uns alle mit ihren Liedern. Nun erscheint ihr neues Album "25".

 Ihre Single "Hello" brach alle Verkaufsrekorde: Die britische Sängerin Adele in einer Szene aus dem Video zu ihrem jüngsten Hit.

Ihre Single "Hello" brach alle Verkaufsrekorde: Die britische Sängerin Adele in einer Szene aus dem Video zu ihrem jüngsten Hit.

Foto: DPA

Kein Album ist in diesem (und eigentlich auch schon im letzten und im vorletzten) Jahr sehnlicher erwartet worden als "25", das dritte Werk der Adele Adkins. Denn der Vorgänger, das im Januar 2011 erschienene "21" mit seinem Megatränendrückerkrachern wie "Rolling in the Deep" oder "Someone like you", ist bis dato das Album des Jahrhunderts.

Etwa 31 Millionen Menschen haben "21" gekauft, gleich in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, 2011 und 2012, war es das meistverkaufte Album der Welt. Adele bekam jede erdenkliche Auszeichnung, darunter sieben Grammys, und 2013 für ihren James-Bond-Titelsong "Skyfall" auch noch den Oscar. Mehr geht nicht.

2013 verschwand Adele. Plötzlich war sie weg. Keine Konzerte, kein gar nichts. Adele hatte vorerst genug, sie vermisste das Leben, das es so allerdings für sie nicht mehr gab. "Überall, wo ich hinkam, verstummten die Gespräche. Das ist heftig, wenn du es gewohnt bist, unbefangen zu sein." Sie zog zusammen mit ihrem neuen Lebensgefährten Simon Konecki in ein großes Haus am Stadtrand von London, und bald bekam sie Sohn Angelo.

Adele stemmt neuerdings Gewichte, sie raucht nicht mehr, trinkt nur noch wenig. "25 zu werden, war ein Wendepunkt für mich", schrieb Adele in einem offenem Brief, in dem sie ihr Comeback ankündigte. "Ich vermisse die Vergangenheit, doch nun bin ich fast schon eine richtige Erwachsene. Es gibt kein Zurück mehr."

Mit dem neuen Album tat sich Adele schwer

Als der Produzent Rick Rubin irgendwann 2014 einen ersten Entwurf gegenhörte, riet er Adele, noch mal von vorne anzufangen. "Ich nehme dir die Songs nicht ab", sagte Rubin. In diesem Jahr nahm das Projekt "25" (der Titel stand seit 2013) dann endlich Fahrt auf.

Unter größter Geheimhaltung traf Adele sich mit einer Handvoll Top-Produzenten, und irgendwann im Sommer war klar: Das wird bis zum Weihnachtsgeschäft was. Tja, und dann kam tatsächlich "Hello". Dass Adele mit ihrer vorab veröffentlichten, zart und leise beginnenden und sehr monumental-hymnisch endenden Comeback-Single alle Download-, Streaming- und Chartrekorde bricht, die ein Song im Jahr 2015 zu brechen imstande ist?

Das war alles andere als eine Überraschung. Der Song drückt alle Adele-Knöpfe, er überrennt einen förmlich mit Theatralik und stimmlicher Brillanz, in den Ohren haften bleibt er zudem auch. Einen Monat nach "Hello" kommt nun das ganze Album, und was soll man sagen? "25" wird in den nächsten Wochen und Monaten alles andere plattmachen, den Markt beherrschen.

Denn auch "25" ist voll mit diesen wehtuend echten Adele-Gefühlen, die ihre Musik einzigartig und für die Konkurrenz unerreichbar machen. Wobei man einschränken muss, dass die neuen Songs nicht mehr ganz so wehmütig, leidvoll und bittersüß sind wie etwa "Someone like you".

Kalkül hat sich eingeschlichen

Auf der neuen Platte singt sich Adele ihre Seele zwar weiterhin aus dem Leib, sie reißt sich aber nicht mehr das Herz heraus. Der Druck, unter dem Adele, ihr Label XL Recordings und alle Beteiligten standen, ist zu spüren, ein gewisser Grad an Kalkül hat sich eingeschlichen.

Und an der Stelle der tiefen Verzweiflung, die "21" prägte, nimmt in den elf Songs auf "25" eine bei Adele bislang unbekannte Leichtigkeit Platz. Auf dem mit Bruno Mars komponieren und eingespielten "All I ask" singt sie ungewohnt hoch und errichtet ein echtes Drama-Bollwerk irgendwie zwischen Celine Dion, Whitney Houston, Barbra Streisand und Mariah Carey. Wenn Adele auf "Million Years ago" den Madonna-Pop der "Frozen"-Ära (das Madonna-Album "Ray of Light" sei quasi ihre Blaupause für "25" gewesen, erklärte Adele) mit Latin-Pop-Elementen und portugiesischem Fado kreuzt, lässt das aufhorchen.

Sehr, sehr groß, auf traditionelle Art nach Südstaatensoul und etwas Gospel klingend, rauscht "Water under the Bridge" aus den Boxen. Erinnert an Tina Turner, und sollte Adele dieses Mal touren, dürfte für diesen Powersong kein Stadion zu groß sein. Und ein Song für alle Ewigkeit, der findet sich auch auf "25". Nein, "Hello" ist es nicht, die Single besitzt auf mittlere Sicht ein nicht zu unterschätzendes Nervtöt-Potenzial. Der wahre Klassiker dieses Albums heißt "When we were young" und entstand nicht mit einem der Großproduzenten, sondern mit dem noch relativ unbekannten Singer/Songwriter Tobias Jesso Jr. Die Nummer ist elegant, sie ist schön, sie ist erhaben. Sie hat eine Refrainzeile zum Eintätowieren. Spätestens jetzt ist klar: Da kommt niemand ran.

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