"Schloss Gripsholm" in der Pathologie - bis Ende August Ein Hoch auf das, was man Liebe nennen darf

Bonn · "Sie hatte eine Altstimme und hieß Lydia." Der Erzähler nennt sie "Prinzessin" wie ihre Vorgängerinnen. Die Frau, mit der er einen Sommer in Schweden verbringt, ist freilich kein naives Weibchen, sondern ein modernes Berliner Großstadtgewächs mit herzhaftem norddeutschem Akzent und Sarkasmus, berufstätig, selbstbewusst, unverschämt nüchtern.

Eine kleine Liebesgeschichte solle er mal wieder liefern, hatte Verleger Ernst Rowohlt von Kurt Tucholsky verlangt. Den vorgängigen (fiktiven) Briefwechsel zu seinem 1931 erschienenen Roman "Schloss Gripsholm" zelebrieren Maren Pfeiffer und EnnE Schütz höchst vergnüglich in ihrer szenischen Lesung, die am Freitag im Theater die Pathologie Premiere hatte.

Wie Zwillinge in schwarzen Hosen zu weißem Hemd wechseln sie sich ab in der Erzählerposition und springen elegant in die verschiedenen Rollen. Etliche Figuren haben sie gestrichen zugunsten der koketten Melancholie, die über diesem unbeschwerten Sommerfrischen-Glück schwebt im kleinen See-Ort Mariefred nahe bei Stockholm.

Schloss Gripsholm gibt es wirklich. Das auf der Reise dorthin besuchte malerische Polysandrion mit seinen auf rosigen Jünglingskörpern gelandeten Schmetterlingen wird man allerdings in Kopenhagen vergeblich suchen und eher im Tessin verorten. "Hier war ein Traum Wirklichkeit geworden - Gott behüte uns davor", merkt die Erzählung zu dieser urkomischen Episode an.

Die diversen Idiome unterwegs sind spaßig, Wein und Höherprozentiges unter strengen skandinavischen Bedingungen eine Rarität. Auf der schlichten Bühne fließt das teure Nass aus hübschem Keramikgeschirr und führt auf der Fähre nach Deutschland noch einmal zum letzten Hoch auf das, was man Liebe nennen darf.

Die autobiografischen Elemente rücken bei der knapp 75-minütigen Vorstellung freilich schmerzlos in den Hintergrund. Der politische Schriftsteller Tucholsky starb mit 45 Jahren in Göteborg und fand seine letzte Ruhestätte bei Schloss Gripsholm. Nach "Rheinsberg" (1912) gönnt die Pathologie seinem unsterblichen Humor nun eine frische Renaissance. Luftig unspektakulär und mit köstlich frecher Selbstironie.

Nächste Vorstellungen am 25./26 Juli und am 8./9./29./30. August jeweils um 20 Uhr. Kartenreservierungen unter der Rufnummer 0228/222358.

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