Rosalie Thomass und Peter Dinklage in "Taxi" nach Karen Duves Buch Durch die Nacht mit Punks und Pfeffersäcken

In ihrem Kinodebüt "Taxi" saugt Kerstin Ahlrichs den Geist der achtziger Jahre tief ein. Als typische Vertreterin ihrer Zeit ist der diffuse Drang der Hauptfigur Alex nach Freiheit mit einer unbewussten Beziehungsunfähigkeit gekoppelt.

 Ungebunden: Marc (Peter Dinklage) und Alex (Rosalie Thomass).

Ungebunden: Marc (Peter Dinklage) und Alex (Rosalie Thomass).

Foto: dpa

Alex (Rosalie Thomass) weiß genau, was sie nicht will und hat keine Ahnung, was sie will. Damit ist sie ein typische Vertreterin ihrer Zeit, den achtziger Jahren, in denen die Sinnsuche oftmals selbst zum eigentlich Lebensinhalt und das spießige Dasein der Elterngeneration abgelehnt wurde, ohne gleich einen anderen Lebensentwurf parat haben zu müssen.

Man lebte offensiv in den Tag hinein, auch weil man nicht wirklich an eine Zukunft glaubte. Der Sozialstaat der alten Bundesrepublik bröckelte noch nicht. Die Mieten waren billig. Die Existenzängste, die junge Menschen heute früh in die Karrieremühle zwingen, hatten in den Achtzigern noch keine Bedeutung.

Ihre Ausbildung als Versicherungskauffrau hat Alex hingeschmissen und fängt in Hamburg als Taxifahrerin an. Zwischen Reeperbahn, Schanzenviertel und Elbchaussee chauffiert sie Betrunkene, Zuhälter, Punks und reiche Pfeffersäcke durch die Nacht. Das freie, ungebundene Leben gefällt ihr.

"Ich hab's nicht so mit Beziehungen" sagt sie zu dem von dem kleinwüchsigen Game-of-Thrones-Star Peter Dinklage gespielten Marc, sie steht immer wieder nachts unangemeldet vor seiner Tür und verschwindet nach dem Sex und einer Zigarette wieder mit dem Taxi hinaus in die Nacht.

An der Haltesäule trifft sie auf die anderen Asphalt-Cowboys: echte und vermeintliche Künstler, Philosophen und Eigenbrötler, die sich als Taxifahrer ihren Lebensunterhalt verdienen und auf bessere Zeiten warten. Dazu gehört auch Dietrich (Stipe Erceg), ein Maler, der Alex die Wohnung im selben Haus vermittelt und ihr schlaue Bücher zu lesen gibt, um die Geliebte intellektuell ein bisschen auf Niveau zu bringen. Marc hingegen scheint sich wirklich für Alex zu interessieren, aber zu viel Nähe hält die Mittzwanzigerin einfach nicht aus.

Kerstin Ahlrich, die den Roman von Karen Duve auf die Leinwand bringt, gängelt ihre selbstbewusste, orientierungslose Frauenfigur glücklicherweise nicht in eine Läuterungsdramaturgie hinein, sondern besteht auf deren Ambivalenz.

Rosalie Thomass ("Beste Zeit") überzeugt in der Rolle der spröden, eigensinnigen Taxifahrerin, die Sätze wie Ohrfeigen verteilen kann und sich großen Emotionen und dramatischen Gesten strikt verweigert. Ganze Arbeit haben sowohl die Ausstattung als auch Kamerafrau Sonja Rom geleistet, die die Ästhetik der Achtziger wieder aufleben lassen, ohne diese Ära gelebter Perpektivlosigkeit ins Nostalgische zu verklären. Neue Filmbühne

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