Theater Die Pathologie "Die Präsidentinnen" als bissiges Kammerspiel

Die Welt ist eine Kloake. Ein riesiger Abort, verstopft mit zahllosen vergeblichen Sehnsüchten, zerbrochenen Hoffnungen, unerwiderten Begehrlichkeiten, aber auch mit Eitelkeit und Missgunst.

 In der Kloake: Szene aus "Präsidentinnen".

In der Kloake: Szene aus "Präsidentinnen".

Foto: Thomas Kölsch

All das bricht aus dem Inneren der Menschen hervor, wird ausgekackt, ohne einen weiteren Blick in die Muschel gepresst und hinuntergespült. Bis dann die Jauche übersprudelt. Und Mariedl mit blanker Hand in der dunklen, ekligen Brühe nach der Ursache sucht.

Sie, eine der drei Hauptfiguren in Werner Schwabs Groteske "Die Präsidentinnen", wühlt mit messianischem Eifer so lange in dem ihr heiligen Stuhl, bis sie auch den am tiefsten sitzenden Dreck wieder an die Oberfläche ziehen kann. Selbst wenn sie dafür letztlich den Preis zahlen muss.

Das Theater Die Pathologie hat Schwabs Fäkaliendrama schon allein aufgrund der Enge des Bühnenraums nicht mit einem unnötigen Überbau versehen, sondern es als pointenreiches, böses bissiges Kammerspiel inszeniert, das trotz der Kloakendialoge zu keinem Zeitpunkt in die Peinlichkeit abschweift. An einem notdürftigen, schmuddeligen Tisch sitzend entdecken die Putzkräfte Erna, Grete und Mariedl dort ihre Gossen-Poesie, räsonieren über Leberkäse, Beziehungs-, Verstopfungs- und Verdauungsprobleme, giften sich gerne mal an und haben doch niemanden sonst auf dieser Welt, dem sie sich anvertrauen können.

In dieser zerbrochenen Szenerie glänzen drei Schauspielerinnen: Ursula Michelis gibt die sparsame, verklemmte, gottesfürchtige Erna, die zunächst ihren Alkoholikersohn Hermann und später den fürs Fleischliche zuständigen Metzger Karl Wotilla verherrlicht mit einer fantastischen Vielschichtigkeit; Marion Minetti überzeugt als Möchtegern-Femme-Fatale Grete, die immer wieder an das "Golden Girl" Blanche erinnert und an einigen Stellen so richtig rollig wird; und Maren Pfeiffer lässt ihrer Mariedl das Unschuldig-Kindhafte einer geistig Behinderten angedeihen, die sich als Befreierin der Menschheit (oder zumindest ihrer Aborte) generiert, als Heilige der Klomuscheln, die genüsslich ihren Arm in den Ausscheidungen versenkt, "weil wenn der Herrgott die ganze Welt angeschafft hat, dann hat er auch die menschliche Jauche erschaffen."

Brillant - und, auch wenn man diesen Begriff eigentlich nicht in diesem Zusammenhang benutzen sollte, dank des enormen Symbolgehalts des Stücks wirklich köstlich.

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