Simple Minds in Bonn Die Achtziger sind noch längst nicht vorbei

Bonn · Am kommenden Freitag, 19 Uhr, spielt die Band Simple Minds auf dem Bonner Kunst!Rasen. Seit der Gründung 1977 gehören Sänger Jim Kerr und Kollegen zur ersten Liga des Pop. Fünf GA-Redakteure erklären, was sie mit den Simple Minds verbindet.

 Rockstar-Pose: Simple-Minds-Sänger Jim Kerr im Februar 2012 in Madrid.

Rockstar-Pose: Simple-Minds-Sänger Jim Kerr im Februar 2012 in Madrid.

Cem Akalin

5. September 1980, Düsseldorf. Ich warte gespannt auf Peter Gabriel. Dass die Vorband Simple Minds hieß, habe ich erst hinterher auf dem Ticket bemerkt. 18 Mark hat der Eintritt in eine neue klangrevolutionierte Welt gekostet. Gabriel hatte damals neue Türen aufgeschlagen, hinter denen sich faszinierende, fast verstörende musikalische Erlebnisse verbargen.

Und die schottische Post-Punk Band hatte gerade erst ihr Album "Empires And Dance" herausgebracht. Jim Kerrs Gesang erinnerte zu dieser Zeit noch ein wenig an Dave Gahan von Depeche Mode. Die Wucht, mit der die Band etwa "Today I Died Again" präsentierte, dieser hymnische, geradezu körperlich erfahrbare Sound, der Punk, Rock, Pop, Elektro und Progressive verschmolz, war ungeheuerlich. Die hypnotische Kraft von "This Fear of Gods" oder "Celebrate" und die so ehrliche Leidenschaft von Jim Kerr sprangen gleich über, und auch die Botschaft stimmte: "We can live, I can live".

Bernhard Hartmann

Seit den 80er Jahren weiß man, dass echte Rockstars ein großes Herz haben. Zwar hatte auch schon George Harrison 1971 mit Freunden für Bangladesch-Flüchtlinge gesungen, doch Bob Geldofs "Live Aid"-Konzert von 1985, mit dem er global Spenden zur Linderung der Hungersnot in Äthiopien sammelte, eröffnete eine neue Dimension. Bei dem weltweit ausgetragenen Rockkonzert machten alle mit, die auf sich hielten, von Joan Baez bis Black Sabbath. Natürlich auch die Simple Minds, die in Philadelphia im JFK-Stadion auftraten. Unter anderem sangen sie ihren noch ganz frischen Superhit "Don't You (Forget About Me)".

Ich saß damals mit Freunden den ganzen Tag vor dem Fernseher, wir konnten uns nicht satthören an all den tollen Bands und Sängern. Der Auftritt der Simple Minds zählte zu den ganz großen Momenten der Show, ebenso wie der ihrer größten Rivalen U2. Doch während U2s Frontmann Bono später in seiner Gutmenschentum-Pose erstarrte, blieb Kerr sympathisch locker. Ihm glaubte man, als er nur drei Jahre später im Londoner Wembley Stadion forderte: "Set Mandela free." Der Song "Mandela Day" war eines der schönsten Geschenke zum 70. Geburtstag des damals noch inhaftierten Politikers.

Dietmar Kanthak

Mitte der Achtziger waren die Simple Minds, vom New Wave beeinflusste Repräsentanten eines elektronischen Romantizismus, ganz oben: mit Hits wie "Don't You (Forget About Me)", "Alive And Kicking", "Sanctify Yourself" und "Ghost Dancing". Tanzbar und mit karaokeverdächtigen Refrains nisteten sich die Songs der Band im kollektiven Bewusstsein ein. Stücke wie "Promised You A Miracle" und "Belfast Child" sind Klassiker der Popkultur. Das fand ich klasse. Das Musikmagazin "Sounds" analysierte einmal den Simple-Minds-Sound, entdeckte Choräle, stakkatohafte Pianopassagen, Synthesizer-Klangwolken, Gitarrenglissandi, Rückkoppelungs-Effekte. Das Magazin entdeckte eine "transzendentale Tanzmusik für höhere Bewusstseinsebenen, die es so vorher noch nicht gegeben hat". Die Tanzmusik klang manchmal gnadenlos bombastisch. Das nervte mehr und mehr. Ich habe die Simple Minds das letzte Mal 2009 live erlebt, im Juni spielten sie auf dem Bonner Museumsplatz, der damals noch ein Open-Air-Spielort war. Da ließen sie es heute ruhiger angehen: ganz entspannt, mit viel Sinn für Understatement. "Belfast Child" interpretierte Jim Kerr als pathetische Elegie, so intensiv, dass es zu Herzen ging. Und alle sangen mit: "One day we'll return here / When the Belfast child sings again / When the Belfast child sings again." Auf ein Neues am Freitag auf dem Kunst!Rasen.

Andreas Mühl

Neben U2 war für mich Simple Minds die herausragende Musikgruppe der 80er Jahre. Mein Lieblingsalbum: "New Gold Dream". Klar, dass ich die Band auch live sehen musste. Ich erinnere mich gut an ein Konzert in der Düsseldorfer Philipshalle. Das muss in der ersten Hälfte der 80er Jahre gewesen sein. Simple Minds kamen da noch ziemlich wild und punkig rüber. Einige Jahre später sah ich sie erneut, dieses Mal in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle. Jim Kerr war mit seiner Truppe am Zenit angelangt, hatte mit "Don't You (Forget About Me)" einen Welthit platziert und war damit längst im Rock-Pop-Himmel angekommen. Und genau während dieses Liedes passierte in der Halle fast eine Katastrophe.

Ich stand am Rande des Innenraums auf Stufen, die auf der Radrennbahnfläche aufgebaut waren. Wir wippten und sangen im Takt zu "Don't You", als plötzlich die Holzkonstruktion teilweise zusammenbrach. Direkt neben mir stürzten Fans mit der Konstruktion ein paar Meter in die Tiefe. Es war ein Riesenschreck. Nachdem das Unglück vom Veranstalter und der Band realisiert worden war, wurde das Konzert lange unterbrochen, um nach Verletzten zu suchen.

Wie durch ein Wunder gab es aber keine Opfer oder Fans mit schweren Verletzungen. So wurde es damals jedenfalls verkündet. Nach meiner Erinnerung dauerte es rund eine Stunde, bis Simple Minds tatsächlich wieder auf die Bühne kamen, um das Konzert fortzusetzen. Heute sicher undenkbar.

Tina Stommel

Simple Minds ist für mich Petar. Selbstverständlich habe ich eine CD der Band zu Hause - herausgezogen und aufgelegt wird sie allerdings nie von mir, sondern immer von ihm. Petar ist ein guter Freund, mit dem mich musikalisch einiges verbindet, unter anderem die Tatsache, dass wir beide gute Lieder mitsingen, obwohl wir beide nicht singen können. Das Problem, also mein Problem mit Petar und damit Simple Minds, heißt "Don't You (Forget About Me)". Geschrieben von Keith Forsey 1985, gesungen von Petar jedes, ich betone: jedes Mal, wenn wir uns sehen. Und zwar immer nur der Refrain (weiter kommt er nicht ohne Jim Kerrs Hilfe). Und wir, Petar und ich, sehen uns oft. "Don't You" ist für mich nicht mehr ein cooler Song, "Don't You" ist Alltag, ist Petar.

Und weil ich weiß, wie Petar aussieht, wenn er schlecht geschlafen oder was zwischen den Zähnen hat (ein echter Freund eben), hat Simple Minds für mich jeden Hauch von Rock - verloren.

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