Bonner Stummfilmtage Die 30. Saison zeigt mit "Homunculus" auch eine frühe Serie

BONN · Live-Musik zu verloren geglaubten Werken der Stummfilm-Ära: Als der Förderverein Filmkultur Bonn vor drei Jahrzehnten mit diesem Konzept im Rahmen des Bonner Sommers anfing, wurde er nur müde belächelt. Damit holt man doch niemanden vor die Leinwand, hieß es.

Mittlerweile ist der Bonner Sommer Vergangenheit, die Internationalen Stummfilmtage dagegen, wie Festival-Leiterin Sigrid Limprecht betonte, ein Aushängeschild und Leuchtturmprojekt für die Region und für ganz Deutschland.

Für ihre 30. Ausgabe sind die Veranstalter einmal mehr auf der Suche in zahlreichen Archiven gewesen - und können zwischen dem 7. und dem 17. August neben beliebten Klassikern von Alfred Hitchcock ("The Lodger" mit einer reinen Percussions-Begleitung durch Christian Roderburg), Buster Keaton ("Battling Butler") und Charlie Chaplin ("The Rink") mit einigen Weltpremieren aufwarten.

Der zentrale Film des gesamten Festivals läuft ausnahmsweise nicht im Arkadenhof der Universität Bonn, sondern im LVR-Landesmuseum: "Homunculus" ist kein Einzelwerk, sondern eine sechsteilige Serie von 1916, die lange als verloren galt. In jahrelanger Arbeit hat das Filmmuseum München nun Fragmente, Dokumente und Fotos gesammelt und das Mammutwerk mit einem Umfang von 200 Minuten rekonstruiert.

Erzählt wird die Geschichte eines künstlichen Menschens, der Liebe sucht und Hass erntet - eine Variante des Frankenstein-Mythos, der zugleich durch die Gräuel des Ersten Weltkriegs aufgeladen ist. So verwundert es nicht, dass der Homunculus, der das Festivalplakat ziert, anders reagiert als das namenlose Geschöpf des Schweizer Arztes: Es plant Vernichtung und Zerstörung, nicht bloß die seines Schöpfers, sondern die der gesamten Menschheit.

Auch in anderen Filmen wird des Ersten Weltkriegs gedacht. So zeigt Abel Gances "J'accuse", das als eines der ersten pazifistischen Werke in die Geschichte eingegangen ist, echte Kriegsszenen in einer fiktiven Rahmenhandlung. Während diese anklagen sollen, wollten andere Werke werben: "Damals waren Laterna-Magica-Aufführungen immer noch sehr beliebt und wurden daher für Propagandazwecke genutzt", erzählt Limprecht.

Die entsprechenden Glasplatten, letztlich Vorformen der Dias, sind nun zusammengetragen worden und werden ebenfalls im Rheinischen Landesmuseum gezeigt. Besonderen Wert legt Limprecht auf einige ausländische Produktionen, die so gut wie nie außerhalb ihrer jeweiligen Heimat (und oft noch nicht einmal dort) zu sehen sind.

So ist es gelungen, zwei chinesische Filme nach Bonn zu holen, das Melodram "Das Blut der Liebe" sowie "Die Göttin" mit Leinwandlegende Ruan Lingyu. Ähnliches gilt für Spanien (mit Kurzfilmen des Katalanen Segundo de Chomón) und Tschechien.

Auch ein schwedischer Film ist im Programm, "mal wieder mit Robben, Eisbären und Elchen", wie Limprecht lachend sagt. "Eigentlich wollten wir zudem einen Film aus der Ukraine zeigen, aber dort geht derzeit gar nichts." Dafür sorgt Ernst Lubitschs "Monte Carlo" in seiner Stummfilmfassung für das große Finale.

Das Programm ist in Kürze im Internet abrufbar auf: internationale-stummfilmtage.de

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