Bildnisse von Macke, Kirchner und Dix Der kühle Blick auf die Welt

Wie rasant sich das Menschenbild in etwas mehr als zwei Jahrzehnten - zwischen 1905 und dem Ende der 20er Jahre - verändert hat, lässt sich allein an drei Bildern erklären, die das August Macke Haus in seiner aktuellen Ausstellung zeigt · Das August Macke Haus zeigt

 Die Skepsis der "Neuen Sachlichkeit": Ulrich Neujahr hat die schöne Tatjana Magid-Riester im Jahr 1928 gemalt. Der mit Max Beckmann bekannte gebürtige Schlesier war Mitglied der "Novembergruppe", lehrte ab 1935 in Köln als Zeichenlehrer an einer jüdischen Schule. 1937 wurden seine Werke beschlagnahmt, 1939 gelang ihm die Flucht nach England.

Die Skepsis der "Neuen Sachlichkeit": Ulrich Neujahr hat die schöne Tatjana Magid-Riester im Jahr 1928 gemalt. Der mit Max Beckmann bekannte gebürtige Schlesier war Mitglied der "Novembergruppe", lehrte ab 1935 in Köln als Zeichenlehrer an einer jüdischen Schule. 1937 wurden seine Werke beschlagnahmt, 1939 gelang ihm die Flucht nach England.

Foto: Macke Haus

Da ist August Macke, der seine lesende Elisabeth 1910 in eine bürgerliche Idylle setzte; eine ganz andere Befindlichkeit beim Dresdner Walther Jakob, der sich 1914 freiwillig an die Front meldete und sich zwei Jahre später mit glühendem Blick und expressionistischer Verve in Husarenuniform malte; 1928 entstand das Porträt der Tatjana Magid-Riester des Berliners Ulrich Neujahr, ein Werk der "Neuen Sachlichkeit", das eine kühl-distanzierte, offenbar gut situierte moderne Frau zeigt. Die Stürme, aber auch das Pathos des Expressionismus sind vorbei, es ist Zeit, das Individuum zu analysieren, die Persönlichkeit zu sezieren.

Keiner hat das tiefgründiger und künstlerisch raffinierter gekonnt als Otto Dix, der in der Ausstellung mit zwei wunderbaren Bildnissen vertreten ist. Das Profil seiner "Dame mit Reiher" (1923) zeigt eine Frau mit Hut und Federboa, wehendem Haar und tief verschatteten Augen. Tod und Eros erscheinen hier in einem Bild vereint. Das Pendant ist ein Porträt eines Greises, dessen Kopf die Anmutung eines Totenschädels hat.

Zwischen praller Sinnlichkeit, die Georg Tapperts tief dekolletierte, nicht sehr intelligent dreinblickende Halbweltschönheit zu Markt trägt, und den aufgerissenen Augen des Selbstmörders, den Walter Gramatté 1918 gemalt hat, oszilliert ein aufregendes Zeitpanorama, das den Wandel, Schicksale und interessante Psychogramme erkennen lässt. Zum Beispiel das von Ludwig Meidner, der sich 1920 düster, gnomenhaft und wissend zeichnet - seine apokalyptischen Visionen am Vorabend des Ersten Weltkriegs haben sich alle bewahrheitet.

Die gelungene, mit 50 Werken bestückte Ausstellung speist sich aus dem Bestand des Wiesbadener Kunstsammlers Frank Brabant. 1963 war der heute 78 Jahre alte Brabant in Hanna Bekker von Raths Frankfurter "Kunstkabinett" geraten, wo er einen Holzschnitt von Pechstein für 350 Mark auf Ratenbasis erwarb - das Bild "Der Redner" (1918) hängt in der Bonner Schau. Der Pechstein stand am Anfang einer inzwischen über 450 Werke umfassenden Sammlung, die der ehemalige Versicherungsangestellte und zeitweilige Besitzer der Wiesbadener In-Diskothek "Pussycat" im Laufe der Jahrzehnte aufbaute - und dabei, wie die Macke-Haus-Direktorin Klara Drenker-Nagels verrät, die Investition in einen VW-Käfer dem Kunstkauf zuliebe immer weiter aufschob.

Brabant, in Kunstdingen ein Autodidakt, erwarb sich nach und nach die nötige Expertise und konnte sich auf sein gutes Auge verlassen - wie die Ausstellung zeigt. Seine Sammlung, deren Kern in der Zeit zwischen Expressionismus und "Neuer Sachlichkeit" liegt, umfasst große Namen und entsprechend hochkarätige Werke, berücksichtigt aber neben Stars wie Emil Nolde, Ernst-Ludwig Kirchner, Alexej von Jawlensky, Otto Dix, Conrad Felixmüller und Erich Heckel auch Vertreter der sogenannten verschollenen Generation. Die mussten oftmals im Ersten Weltkrieg kämpfen, versuchten dann unter Mühen, sich in der Zeit zwischen den Kriegen eine künstlerische Existenz aufzubauen, die schließlich mit der Machtergreifung der Nazis endete, bevor sie erste Früchte bringen konnte. Nicht wenige der "Verschollenen" wurden als "entartet" verfemt.

August Wilhelm Dressler, Heribert Fischer-Geising und Paul Kleinschmidt etwa sind Maler aus Brabants Sammlung, die eine Wiederentdeckung unbedingt lohnen.

August Macke Haus, Bornheimer Straße 96; bis 20. September. Di-Fr 14.30-18, Sa, So 11-17 Uhr

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