Rossini-Opernfestival im italienischen Pesaro Der Zauberin verfallen

Auch Italien hat sein Bayreuth - nur wird hier nicht Wagner gespielt, sondern Rossini, und das Festival, das sich ausschließlich seinen Opern widmet, findet in seiner Geburtsstadt Pesaro statt.

 Hoch soll sie leben und lieben: Carmen Romeu als Armida.

Hoch soll sie leben und lieben: Carmen Romeu als Armida.

Foto: Studio Amati Bacciardi

In einem Punkt ist Pesaro Bayreuth haushoch überlegen: Hier muss man sich nicht mit zehn Opern begnügen, sondern kann aus dem Vollen schöpfen: 39 Opern wollen aufgeführt werden, außerdem drei geistliche Werke und etliche "Péchées de vieillesse", jene in den letzten Lebensjahren komponierten "Alterssünden". Bei jährlich zwei bis drei Neuinszenierungen läuft man also nicht Gefahr, sich zu wiederholen.

In diesem Jahr wurde das "Rossini Opera Festival" (ROF) mit der 1817 in Neapel uraufgeführten, auf Torquato Tassos Epos "Gerusalemme liberata" basierenden Zauberoper "Armida" eröffnet. Das von Giovanni Schmidt verfasste Libretto steht am Ende einer langen Tradition von Tasso-Vertonungen.

Rossini war sich seiner erlauchten Vorgänger durchaus bewusst: auch Lully, Händel, Jommelli, Gluck und Haydn - um nur die wichtigsten zu nennen - hatten die Geschichte der "femme fatale" Armida vor ihm vertont.

Darum ließ er sich drei Monate Zeit für die Komposition, eine enorm lange Zeit für einen Schnellschreiber wie Rossini. Herausgekommen ist eine lyrische, in den drei Liebesduetten melodienreiche, schwelgerische Musik, die im ?uvre des "Schwans von Pesaro" ihresgleichen sucht, man denke nur an "Amor! Possente nome" oder "Dove son io?". Dass diese Duette eine so dunkel-sinnliche Qualität haben, ist wohl der Begegnung des 25-jährigen Rossini mit der um sieben Jahre älteren Koloratursopranistin Isabella Colbran zu verdanken. Er schrieb für sie nicht nur mehrere maßgeschneiderte Partien sondern heiratete sie auch fünf Jahre später.

In seiner Inszenierung der "Armida" überraschte der Altmeister Luca Ronconi mit einem hübschen ?coup de théâtre': Die Jerusalem belagernden Kreuzritter trugen Kostüme, die so gar nicht ins Mittelalter passen wollten, sondern den bunten, üppig dekorierten Uniformen der jungen Männer entsprachen, die für das Premierenpublikum strammstanden.

Damit nicht genug: die fantasievollen Uniformen waren auch an hängenden Marionetten zu sehen, die während des gesamten ersten Aktes im Blickfeld des Betrachters waren - wir sind schließlich in einer Zauberoper. Leider war von Personenführung wenig zu merken. Da wunderte es dann auch nicht, dass die Choristen selbst in dramatischen Szenen wie angewurzelt und bewegungslos standen. Das ist in italienischen Opernaufführungen, wo der Sänger stets im Mittelpunkt steht, häufig so. Auch entbehrte das an ein Schwalbennest erinnernde "Liebeslager" von Armida und Rinaldo nicht der Komik.

Unbestrittener Star des Abends war der in Messina geborene Tenor Antonino Siragusa in der Rolle des den Reizen der Zauberin Armida verfallenen Rinaldo. Seinem hellen, kräftigen Tenor kann er eine fast unbegrenzte Ausdruckspalette abverlangen - die ideale Voraussetzung für die Gestaltung eines zwischen Liebe und Pflicht hin und her gerissenen Charakters. So kann er dann auch seine Partie subtil gestalten, ohne auf die sensationelle, geradezu erotische Wirkung seiner Spitzentöne verzichten zu müssen. Da kann Carmen Romeu in der Titelpartie nicht ganz mithalten. Sie kann zwar mit herrlich tiefen Tönen auftrumpfen, in der Höhe und in den schwierigen Koloraturen aber klingt ihr Sopran scharf und manchmal angestrengt. Trotzdem: Ihre Armida hat Format und kann mitreißen, zumal in den Liebesszenen.

Der aus Mailand stammende Carlo Rizzi führte das Orchester des Teatro Comunale Bologna sicher durch die Partitur, ließ es jedoch gelegentlich an Spontaneität und Verve fehlen. Da hier, wie in allen Aufführungen in Pesaro grundsätzlich die wissenschaftlich erstellte Kritische Edition zugrunde liegt, wurde die Partitur ohne jede Kürzung gespielt. So kamen die Rossiniani dann auch in den Genuss des normalerweise gestrichenen, anmutigen Balletts.

Das Festival dauert noch bis zum 22. August. Außer "Armida" werden auch "Der Barbier von Sevilla" und "Aureliano in Palmira" gegeben. Kinder unter 14: Eintritt ein Euro. www.rossinioperafestival.it

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