Uraufführung von Nolte Decars "Der Volkshai" Der Fisch im Fass

Mit Traumlogik gegen die Bedrohung: Mehr als ein Jahr nach der Premiere von "Helmut Kohl läuft durch Bonn" steht mit "Der Volkshai" ein neues Stück des Autorenduos Nolte Decar in den Startlöchern, eine neue Welturaufführung am hiesigen Theater, die sowohl mit Blick auf die Struktur als auch auf den Entstehungsprozess außerhalb gewohnter Bahnen läuft.

 Drama im Duschraum: Szene aus der Uraufführung "Der Volkshai" von Nolte Decar.

Drama im Duschraum: Szene aus der Uraufführung "Der Volkshai" von Nolte Decar.

Foto: Thilo Beu

Denn die Mischung aus Ibsens "Ein Volksfeind" und dem Film "Der weiße Hai", aus klassischem Drama und Hollywood-Blockbuster hat erst während der Proben Form angenommen.

"Letztlich handelt es sich um das Ergebnis einer Stückentwicklung", erklärt Regisseur Matthias Rippert. Der 26-Jährige studiert noch am Max Reinhardt Seminar der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, bringt mit "Der Volksfeind" aber bereits das zweite Nolte-Decar-Stück auf die Bühne und war schon bei der Ideenfindung maßgeblich beteiligt. "Ich habe den beiden erzählt, dass ich gerne mal Ibsen inszenieren würde, dann kamen sie mit der durchaus passenden Verbindung zum 'Weißen Hai' - und von da aus haben wir dann weitergearbeitet."

Am Theater Bonn entstand dann nach und nach der vollständige Plot: Die junge Bademeisterin Giulia (Anna Kulbatzki) vermutet hinter dem Tod eines Jungen am Strand von Rimini einen Haiangriff und will der Sache auf den Grund gehen, stößt dabei aber auf Widerstand in der Bevölkerung. Immerhin läuft der Tourismus gut, das Leben ist schön, der Ort friedlich. Da ist so ein Aufschrei nicht gerne gesehen, wie sowohl der zum Volksfeind stigmatisierte Badearzt Stockmann (der vor verseuchtem Wasser in einem Kurort warnt) als auch der zunächst vergebens auf eine Sperrung der Strände drängende Polizeichef Martin Brody erleben mussten.

"Uns hat die Frage interessiert, wie Leute in Extremsituationen reagieren", sagt Rippert. "Es geht um grundlegende Mechanismen, nicht um ein tief psychologisches Kammerspiel." Das würde auch nicht zu Nolte Decar passen, fügt Dramaturgin Johanna Vater hinzu. Hat man ja bereits bei "Helmut Kohl läuft durch Bonn" gesehen. "Die beiden sind keine realistischen Figurenzeichner." Sondern Autoren, die in ihrem gesellschaftskritischen Anspruch die Form der "leichten Auseinandersetzung" pflegen, wie Schauspieler Hajo Tuschy erklärt. "Sie machen mühelos ein großes Fass nach dem anderen auf, und während man noch hineinschaut, sind sie schon beim nächsten." In dem vielleicht tatsächlich ein Hai schwimmen könnte. Denn wo genau die wahre Bedrohung zu verorten ist, bleibt letztlich offen.

Mittlerweile steht der Plot, das Konzentrat von über 150 Stunden Material. "Wir haben Anfang Dezember begonnen und erst einmal ganz viel improvisiert", erklärt Rippert. Drei Wochen lang saßen er und Nolte Decar im Probenraum, ließen die Schauspieler machen, gaben Anregungen, erarbeiteten Szenen. "Nicht alles, was wir uns anfangs überlegt hatten, erwies sich als fruchtbar", gesteht der Regisseur. "Aber wir waren ja flexibel. Klar war nur, dass wir die Konfliktdramaturgie vom 'Volksfeind' als Skelett nutzen wollten - und dann haben wir Fleisch darauf gepackt." Sowie viele Überraschungen und so manche Traumlogik.

0 Werkstatt: Premiere am 24. Januar (Uraufführung). Weitere Termine: 30. Januar, 10., 11., 22. und 26. Februar, jeweils 20 Uhr, in der Theater Werkstatt. Karten gibt es in allen GA-Ticketshops.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Aus dem Ressort