Graffiti & Street Art Festival Das hat es noch nicht gegeben

Zugegeben, ich war skeptisch, sehr sogar. Kann eine Ausstellung mit Graffiti und Street Art in den feinen Räumlichkeiten eines etablierten Museums funktionieren? Wird die Aussage einer Kunst, die aus dem urbanen Umfeld kommt, nicht selten heimlich ausgeführt wird und genauso oft aus einer Anti-Haltung gegenüber museumsfähiger Kunstproduktion entsteht, nicht erstickt?

 Am Boden: Il-Jin Atem Choi bei der Arbeit an seinem Graffito für das Street Art Festival.

Am Boden: Il-Jin Atem Choi bei der Arbeit an seinem Graffito für das Street Art Festival.

Foto: Schoenebeck

Das kann passieren, muss aber nicht, wie man von heute an in der Bundeskunsthalle erleben darf.

Sieht man einmal vom biederen Titel ab, hat die "Bundeskunsthall of Fame" in den kommenden zehn Tagen, während der das Graffiti & Street Art Festival läuft, einiges zu bieten. "Wir wollen die Ernsthaftigkeit der Szene vermitteln", sagt Kurator Allan Gretzki und meint damit, dass ihn bei der Künstlerauswahl nicht so sehr die "Sprüher, die nachts um die Häuser schleichen", sondern die "ganz normalen Leute" interessierten. Normal heißt wohl auch, dass etliche der Künstler mit ihrer Street Art so bekannt geworden sind, dass sie ihren Stil mittlerweile auch museal unterbringen können.

Es ist schließlich nicht verwerflich, neben der Street Credibility auch eine Museum Credibility zu pflegen. Die Spanierin Aida Gómez überträgt ihre Buchstabenreihen, die sie sonst auf Papier druckt und in Berlin neben Werbetafeln und Konzertankündigungen aufhängt, nun direkt auf die Wand. Das Prinzip bleibt dasselbe, denn aus dem unübersichtlichen Buchstabendurcheinander treten beim längeren Anschauen einzelne Wörter hervor.

Alle hätten eine positive Bedeutung, verrät die Künstlerin, denn sie wolle dem Betrachter bei der Suche nach sinnhaften Buchstabenkombinationen ein gutes Gefühl mit auf den Weg geben. Gerne würde sie in der Stadt auch einmal so großflächig arbeiten können wie im Museum, aber das sei schwierig. Ihre Idee funktioniert jedenfalls hier wie dort.

Die Installationen der Künstlergruppe "Klangfiguren" sind hingegen technisch derart raffiniert, dass sie draußen kaum zu verwirklichen wären. In beide Projektionen kann der Besucher selbst eingreifen, was den Spaß an der Street Art, der oft auch Selbstironie beigemischt ist, vermittelt. Anders als die beiden Installationen, die ebenso wie der Showroom während der gesamten Laufzeit des Festivals zu sehen sind, wird der Besucher in den kommenden Tagen jeweils andere Künstler bei der Arbeit beobachten können.

Das verspricht spannend zu werden, wenngleich auch etwas bizarr, wenn man die Ausstellung wie in einer Filmkulisse mit falschen Betonwänden (aus der Lagerfeld-Ausstellung) und echten Graffiti durchwandert und auf die Künstler als Akteure trifft.

Dem Pariser Künstler Honet wird man zwar selbst nicht begegnen können, aber seiner aktuellen Botschaft. Honet setzt sich in seiner Kunst mit dem städtischen Raum auseinandersetzt, wohnt in Paris unmittelbar neben dem Bataclan, in dem vor einer Woche 89 Menschen ermordet wurden. Statt selbst nach Bonn zu kommen, schickt er Worte: "Fluctuat nec mergitur". Der alte Wahlspruch der Stadt Paris ist zum neuen Slogan der Widerstandsbewegung der Franzosen nach den Anschlägen geworden. "Sie schwankt, aber sie geht nicht unter."

Bundeskunsthallee, Friedrich-Ebert-Allee 4, bis 29. November; Di-Mi 10-21, Do-So 10-19 Uhr. Das Festival hat eine eigene Website auf www.bundeskunsthalle.de

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