Beethovenfest am Sonntag Das andere Orchester

BONN · Philippe Jordan lebt in zwei Welten. In Frankreich setzt er als Musikdirektor der Pariser Opéra National Akzente im Musiktheater, in Österreich als Chef der Wiener Symphoniker pflegt er das konzertante Repertoire. Man könnte fast sagen, dass ihm diese Aufgabenteilung bio- und geografisch in die Wiege gelegt wurde. Am Sonntag kommen er und die Wiener Symphoniker zum Beethovenfest nach Bonn.

 Ehrgeizige Pläne: Dirigent Philippe Jordan.

Ehrgeizige Pläne: Dirigent Philippe Jordan.

Foto: JF LECLERCQ

Als Sohn des Schweizer Dirigenten Armin Jordan wurde er vor 40 Jahren so ziemlich auf halbem Weg zwischen seinen heutigen Arbeitsplätzen in Zürich geboren. Seit genau einem Jahr ist Jordan Chef der Symphoniker in Wien und wird mit diesem Klangkörper nun auch erstmals in Bonn beim Beethovenfest vorstellig werden. Am kommenden Sonntag dirigiert er Werke von Anton von Webern, Johannes Brahms und Ludwig van Beethoven.

Mit der Arbeit des Jahres seit seinem Amtsantritt ist Philippe Jordan durchaus zufrieden. "Ich kenne das Orchester ja schon länger", sagt er und verweist auf die regelmäßigen Gastdirigate des letzten Jahrzehnts. Als sein Vorgänger Fabio Luisi 2013 das Orchester verließ, kümmerte er sich bis zu seiner offiziellen Amtseinführung verstärkt ums Orchester.

"In dem Jahr als Gast hat sich bei den Symphonikern aber gar nicht so viel getan. Umso mehr hat es mich dann überrascht, was danach in den vergangenen zwölf Monaten passiert ist. Wenn man sich entscheidet, einen gemeinsamen Weg zu gehen, und sich beide Seiten aufeinander einlassen und sich darauf freuen, ist so etwas möglich. Das wurde schon bei den ersten Probenphasen merklich."

Jordan charakterisiert die Symphoniker als ein typisch Wienerisches Orchester mit dem ganz typischen Repertoire: "Sie spielen wunderbar spätes 19. Jahrhundert", sagt er: Brahms, Bruckner, Mahler, Strauss. In den früheren Jahrzehnten haben sie dieses Repertoire mit den Chefdirigenten Herbert von Karajan, Wolfgang Sawallisch, Josef Krips oder Carlo Maria Giulini eingeübt.

Die Pflege der Wiener Klangsinnlichkeit und die Phrasierungsmentalität stünden aber oft Deutlichkeit und genauer Artikulation im Wege, wie man sie in anderen Ländern wie Deutschland, England oder auch Frankreich finde, sagt Jordan.

Bei Strauss höre man das weniger, "aber wenn man Mozart, Beethoven, Schubert oder auch zeitgenössische Musik spielt, wird das ein Thema". Aus diesem Grund hat Jordan in seiner ersten Spielzeit einen Zyklus mit sämtlichen Schubert-Sinfonien ins Programm genommen. Das sei auch eine gute Vorbereitung auf einen Beethoven-Zyklus, findet der Dirigent.

"Das verlangt eine Spielkultur, die Kammerorchester und auch Barockorchester heute sehr gut können, die wir uns aber erst erarbeiten müssen."

Die Neuorientierung wird durch die besondere Situation der Symphoniker erschwert, die bislang immer als Mietorchester im Musikverein und im Konzerthaus aufgetreten sind, deren Leiter die Programme letztlich bestimmten. Jordan ist es trotzdem gelungen, die Gastdirigenten so auszuwählen, dass sie "auf ganz ähnliche Dinge achten, wie ich selbst, so dass das Orchester von Wechselbädern verschont bleibt."

Die Konzerthäuser auf die neue Linie zu bringen, ist aber nicht sehr schwer gewesen, weil Jordan den Musikvereins-Intendanten Thomas Angyan seit langem kennt und in Konzerthaus-Chef Matthias Naske einen Partner gefunden hat, der zeitgleich mit ihm in Wien angefangen hat. "Außerdem sind wir jetzt Mitveranstalter im Konzerthaus. Das ist eine Neuigkeit."

Kleiner Nebeneffekt der Neuorientierung ist, dass die Symphoniker ein bisschen aus dem Schatten der Wiener Philharmoniker heraustreten. Es gehe nicht darum, Konkurrenz für die Philharmoniker zu sein, aber: "Sie müssen als das andere Orchester Wiens wahrgenommen werden, nicht als das zweite Orchester."

Sonntag, 6. September, 19 Uhr, Wiener Philharmoniker, Nikolaj Znaider (Violine), Philippe Jordan (Dirigent); Werke von Anton Webern (Orchestervariationen op. 30), Johannes Brahms (Violinkonzert) und Ludwig van Beethoven (Sinfonie Nr. 7).

Public Viewing: Das Konzert wird live auf eine Großbildleinwand auf dem Bonner Marktplatz übertragen.

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